Trauer in Seyne-les-Alpes - Suche nach Opfern

Seyne-les-Alpes (dpa) - Hubschrauber donnern über den kleinen Ort in den französischen Alpen. Von Seyne-les-Alpes nehmen sie Kurs auf die Stelle, an der der Airbus A320 der Lufthansa-Tochter Germanwings an Felsen zerschellte.

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Sie liegt nur 15 Kilometer entfernt. Aber zu Fuß ist sie schwer zu erreichen. Deshalb seilen sich die Helfer von den Helikoptern ab - die dort oben kaum landen können.

Am Tag nach dem Unglück steht die Suche nach dem zweiten Flugschreiber im Mittelpunkt - und die Ortung der Opfer. Es werde alles getan, sie zu bergen und in ihre Heimat zu ihren Familien zu bringen, sagte Frankreichs Staatspräsident François Hollande. Und die Unglücksursache müsse vollständig aufgeklärt werden.

Dutzende Ermittler arbeiten unter Hochdruck daran. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, zudem sind Luftfahrtexperten eingeschaltet - und Rechtsmediziner. Denn auch die Identifizierung der Leichen wird Zeit kosten.

Alle 150 Menschen an Bord sind bei dem Absturz am Dienstag ums Leben gekommen, unter ihnen laut Germanwings 72 Deutsche. Es ist einer der schwersten Unfälle in der deutschen Luftfahrtgeschichte.

Mit Klettergurt, Abseilhilfen und in Hochgebirgsausrüstung trafen am Vormittag fünf Gendarmen im Tal ein, die bei frostigen Temperaturen die Nacht an der Unfallstelle verbrachten und den Ort absicherten. Die Anspannung steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Über den Einsatz reden wollen sie nicht. Auch in der Nacht zum Donnerstag werden einige ihrer Kollegen oben ausharren - ein Job für erfahrene Bergretter.

Der Felsen im Massiv des Tête de l’Estrop (Gipfel bei 2961 Metern), an dem am Dienstag der Airbus A320 der Lufthansa-Tochter zerschellte, liegt nur 15 Kilometer entfernt. Bilder von den Flügen zeigen zahllose Trümmerteile in den Felsen. Auf einem Video scheint sogar ein Teil des Germanwings-Logos erkennbar zu sein.

Zumindest das Wetter habe gehalten, sagt der Pilot Roy Xavier, der den Einsatz der Helfer in den Helikoptern koordiniert. Es seien die ganze Zeit Flüge möglich gewesen.

Der Zugang zu Fuß dauert für geübte Bergsteiger vier Stunden. Das Gelände ist unwegsam. Einige Helfer waren in der Nacht zu Fuß aufgebrochen und erreichten die Stelle am Morgen. „Wir sind hier im Hochgebirge“, sagt Polizeichef David Galtier über den Unfallort. Er koordiniert die mehr als 500 Einsatzkräfte - und bleibt kurz angebunden. Der Einsatz hat Priorität.

„Ich bin oft zum Jagen dort oben“, sagt der pensionierte Feuerwehrmann Louis Boisson bei seinem täglichen Espresso im Café und blickt in Richtung der schneebedeckten Bergkette. Der 75-jährige ist etwas genervt, hat aber auch Verständnis für die Unruhe, die Journalisten aus ganz Europa in den sonst so beschaulichen Ort gebracht haben. „Das ist ja nicht nur für uns eine Tragödie, sondern für die ganze Welt.“

Angehörige kamen bereits in der Region an. Abgeschirmt von der Presse werden sie psychologisch betreut, im Sportzentrum des Ortes wurde für sie eine Art Kapelle eingerichtet - ein Ort der Stille und der Trauer.

Die Bewohner des 1500-Seelen-Ortes helfen, wo sie können. Einheimische und Hotels stellen kostenlos Übernachtungsplätze zur Verfügung - 900 Menschen könnten untergebracht werden, heißt es im Rathaus. Wie viele tatsächlich kommen, ist unklar. Die Hilfsbereitschaft ist groß. „Es ist ein unglaublicher Schock“, sagt Serge Leydet. Die SIM-Karten in seinem Schreibwarenladen sind praktisch ausverkauft- Journalisten kamen zu Hunderten.

„Auf eine solche Katastrophe sind wir nicht vorbereitet“, sagt Fanette Borel von der Gemeindeverwaltung - „aber wie könnte man sich auch darauf vorbereiten?!“ Viele Bewohner in der dünn besiedelten Region haben sofort Hilfe angeboten.

Die ganze Gegend steht unter Schock. Auf den Straßen gibt es kein anderes Thema. Die Flugzeugkatastrophe hat Seyne-les-Alpes von einem Moment zum anderen aus seiner stillen Beschaulichkeit gerissen. Polizisten fahren auf Motorrädern durch die engen Straßen. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy und der französische Präsident François Hollande besuchen den Ort.

„Die Menschen hier werden Monate brauchen, um diese Tragödie zu verarbeiten“, sagt die ehemalige Altenheimdirektorin Payanne. „Aber es wird die Zeit kommen, in der diese Region ihre Ruhe wiederfindet.“