Analyse Trump, ein Chávez von rechts?

Caracas (dpa) - Er ist der Star seiner eigenen Show, feuert live im TV führende Ölmanager, die ihm nicht passen. Er bricht alle Regeln und hetzt gegen jene, die seiner „Bewegung“ nicht folgen. Er macht Politik live im Fernsehen und hasst langwierige Verhandlungen.

Ein überbordendes Ego, das Gefühl, ein Retter des Landes zu sein.

Könnte Donald Trump sein, war aber Venezuelas linker Präsident Hugo Chávez (1954-2013). Kenner der Entwicklung des ölreichsten Landes der Welt sehen immer deutlichere Parallelen zwischen den Charakteren Trump und Chávez.

Aber nicht nur da. Das Spiel mit den Massen, der Protektionismus, das Inszenieren als Anwalt der Arbeiterklasse zeigt Analogien zu Argentiniens Juan Domingo Perón. US-Zeitungen zeigen Trump (70) schon in Uniform, titulieren ihn als „Caudillo Yanki“.

Trump sieht sich als Anwalt der Menschen etwa im Rust Belt, der darnieder liegenden Industrieregion im Nordosten. „American Caudillo“ war ein Artikel im Fachmagazin „Foreign Affairs“ überschrieben. Demnach bedeute Trump eine „Lateinamerikanisierung der US-Politik“, wo das Recht weniger zähle und verstärkt mit Demagogie gearbeitet werde. Trump liebt das einsame Regieren per Dekret und Federstrich.

Ihm scheint es egal zu sein, wenn alle Welt Sturm läuft gegen sein Einreiseverbot für alle Bürger aus sieben überwiegend muslimischen Staaten. Denn seine Wähler wollen das, sie sehen in solchen Maßnahmen einen besseren Schutz der USA. „Mit dem Phänomen des Populismus sind wir in Lateinamerika sehr vertraut“, resümierte jüngst bei einem Expertenforum der frühere mexikanische Außenminister Jorge Castañeda. Er erinnerte an 1999, als Chávez die Macht übernahm und auch gegen die Eliten wetterte, die das Land ruiniert hätten, nur dass Trump mit einem rechts-, statt einem linksnationalistischen Programm punktet.

Auch sonst gibt es natürlich einige Unterschiede, weshalb der Historiker John Patrick Leary solche Vergleiche für vermessen hält. Zumal die USA bisher eine funktionierende Demokratie seien. Aber kulturelle Parallelen sind da, auch Trump liebte das Feuern von den Kandidaten („You're Fired“) in seiner Reality-Show „The Apprentice“.

Castañeda erinnert an den damaligen US-Botschafter in Caracas, John Maisto, der gesagt habe: „Achtet nicht auf das, was Chávez sagt, sondern auf das, was er tut.“ Dann habe Chávez aber genau das getan, was er gesagt habe - vom Rauschmiss internationaler Ölkonzerne bis hin zu einem sozialistischen Umbau Venezuelas. Chávez hielt seine Wahlversprechen ein, in dem er den gesamten Rohstoffsektor radikal verstaatlichte, was ihm kaum jemand zugetraut hatte. Und mit den damals noch sprudelnden Öleinnahmen verteilte er milliardenschwere Almosen an das zuvor nicht beachtete Millionenheer der Armen im Land.

„In der improvisierten Mischung aus Bombast, Drohgebärden und derbem Humor, in der symbiotischen Beziehung mit Menschenmassen und der Artikulation lange verschwiegener Sorgen hallt bei Trump das Echo des Comandante (Chávez“) wider“, meint Rory Carroll, langjähriger Lateinamerikakorrespondent des britischen „Guardian“, der nun in den USA arbeitet. Chávez wurde als Clown verspottet, hielt sich aber bis zu seinem Tod 2013 - demokratisch legitimiert - an der Macht. „Auch wenn man ihn satt hatte, hast Du ihn gespannt verfolgt“, so Carroll.

Der größten Fehler, den Trumps Gegner machen können? Trumps Anhänger nicht ernst zu nehmen. In Venezuela habe es zehn Jahre gedauert, bis die Oppositionsführer verstanden hätten, dass sie in die Slums gehen müssen, um auf die Ängste der Benachteiligten einzugehen, sagte der aus Venezuela stammende Ökonom Andrés Miguel Rondón. Chávez wird hier bis heute verehrt. Rondóns Rat: „Zeigt Verständnis nicht Verachtung für die Verletzungen derer, die Trump zur Macht verholfen haben.“

Chávez schuf Feindbilder außen, spielte mit Lügen und Übertreibungen. Legendär seine mehrstündige sonntägliche Show „Aló Presidente“. Weil er die oppositionellen Medien umgehen wollte, schuf er einen eigenen TV-Kanal, Telesur, den er nach und nach zu einem linken Gegenpol zu CNN in Südamerika ausbaute. Die Welt wurde in Freund und Feind eingeteilt. Und der frühere Militär war kein Politiker - wie Trump kam er von außen und beherrschte die Klaviatur simpler Botschaften.

Nachfolger Nicolás Maduro hat auch eine eigene Fernsehshow, in der er junge Damen schon mal zum Tänzchen bittet. Er liebt großspurige Ankündigungen, etwa zum Bau der größten Busfabrik Lateinamerikas. Und wenn größere Geldnoten - die Inflation liegt bei rund 800 Prozent - wegen Papiermangels nicht gedruckt werden können, sind dunkle Mächte im Ausland Schuld. Maduro setzt wie Trump massiv auf Twitter, während er kritische Medien umgeht und mit Einschüchterungen drohen lässt.

Gemessen an seiner „Medienarbeit“ steht Trump dem bisher in nichts nach, und das systematische Brechen als gesetzt geltender Regeln, schockiert oder fasziniert, je nach Standpunkt. Auch Trump lässt Worten Taten folgen. Bei ihm ist es der knallharte Protektionismus, um wieder mehr Amerikaner in Lohn und Brot zu bringen, „make America great again“. Eine Mauer zu Mexiko? Wird gebaut. Feindbilder? China, Mexiko und alle anderen, die angeblich der US-Wirtschaft schaden. Und das sozialistische Venezuela, dessen Präsident Maduro den USA gerne Invasionspläne vorwirft? Es könnte zu einem Schlüsselland in der Region werden: es pflegt beste Kontakte zu Russland, China und Iran.