Gespenstische Atmosphäre „Überall Polizei“: Terroralarm auf den Champs-Élysées

Paris (dpa) - Sirenengeheul, Absperrungen, Hubschrauberlärm: Paris ist wieder einmal im Krisenmodus. Der obere Teil der Prachtstraße Champs-Elysées in der Nähe des Arc de Triomphe ist in der Nacht zum Freitag komplett abgesperrt.

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Ein Angreifer hat zuvor das Feuer in der Höhe eines Geschäfts der britischen Einzelhandelskette Marks & Spencer auf Polizisten eröffnet. Er tötet einen von ihnen. Zwei weitere Beamte und eine deutsche Passantin werden verletzt. Einen Tag später stehen Polizisten stramm am Ort des Geschehens und ehren ihre Kollegen.

Rasch nimmt die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) die Attacke für sich in Anspruch. Er habe im Restaurant „Bistro Romain“ gegen 21.00 Uhr Schüsse gehört, berichtet ein Mann, der seinen Namen nicht nennen will. „Viele sind in die erste Etage gelaufen“, erzählt er. „Einige gerieten in Panik.“ Der Angreifer habe ganz bewusst die Ordnungshüter attackiert, ergänzt ein Augenzeuge.

Schwerbewaffnete Polizisten und Soldaten sperren die Seitenstraßen der breiten Allee ab; es gibt kein Durchkommen. Das Viertel wirkt verlassen, die Stimmung ist gespenstisch. Es kursieren Gerüchte, angebliche Komplizen des Täters seien noch in der Nähe des Tatorts unterwegs. Dem widerspricht das Innenministerium. Man gehe nur von einem Angreifer aus - es sei aber nicht auszuschließen, dass es noch Komplizen gebe.

Wer die Anweisungen der Sicherheitskräfte nicht befolgt, wird mitunter laut zugerechtgewiesen. „Bougez-vous!“ (Bewegen Sie sich!), ruft ein Ordnungshüter den Passanten zu. Viele Geschäfte haben Rollläden heruntergelassen, mehrere U-Bahn-Stationen sind geschlossen.

Die meisten Menschen in dem abgeriegelten Stadtviertel kennen die Details der Bluttat nicht. Touristen wollen nur eins - in ihr Hotel zurückkommen. „Das sollten Ferien sein“, bemerkt John aus San Francisco im US-Staat Kalifornien, der an einer Straßensperre wartet. In der Gegend gibt es zahlreiche Hotels, die Champs-Élysées mit vielen Geschäften und Restaurants sind bei den Paris-Gästen besonders beliebt.

Der Anschlag überschattet die Präsidentenwahl am Sonntag. „Wie sollen wir wählen, angesichts dieser Bedrohung?“, fragt sich eine Frau, die in einem Hauseingang steht und hektisch an einer Zigarette zieht. Frankreich wird seit gut zwei Jahren von einer beispiellosen Terrorserie erschüttert, die mehr als 230 Menschen aus dem Leben riss.

Die akute Terrorgefahr beeinflusst auch die politischen Debatten in dem zerrissenen Land. So wirbt die Rechtspopulistin Marine Le Pen mit einem harten Kurs gegen Terrorverdächtige und aus dem Ausland stammende Straftäter.

Es ist nicht das erste Mal, dass Sicherheitskräfte von Gewalttätern ins Visier genommen werden. So wurden vor einem Monat Soldaten auf dem Pariser Flughafen Orly attackiert, der Angreifer wurde erschossen.

Am Freitagmorgen werden die Polizeisperren auf den Champs-Élysées wieder aufgehoben. In einer Ladengalerie sind an einer Glastür Einschusslöcher zu sehen. „Ich habe gestern Abend gearbeitet. Wir waren mit vielen Gästen hier eingeschlossen, aber ich möchte nicht mehr darüber reden“, meint eine Kellnerin des „Bistro Romain“.

Familie Kaiser aus Aschaffenburg ist auch wieder auf der weltbekannten Allee unterwegs. „Wir wollten gegen halb zehn abends ein bisschen flanieren. Aber alles war abgesperrt. Überall Polizei“, berichtet der Vater. „Dann haben wir erfahren, was geschehen ist.“ Die Familie sei ins Hotel zurückgekehrt. „Man wusste ja nicht, was noch alles passieren würde. Wir haben den Abend in der Lobby vor dem Fernseher verbracht.“