Vor Karlsruhe-Urteil: Euro-Gegner für Austritt Athens
Berlin (dpa) - Die Euro-Gegner und Karlsruher Kläger gegen die Griechenland-Hilfen sehen die europäische Währungsunion gescheitert. Vor dem mit Spannung erwarteten Urteil des Bundesverfassungsgerichts am Mittwoch bekräftigten die renommierten Professoren: „Das Euro-Abenteuer geht zu Ende.“
Sie plädierten am Montag in Berlin für einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone. „Entweder schrumpft sich die Euro-Zone gesund oder ich gebe dem Euro noch eine begrenzte Lebensfrist (...) von zwei bis fünf Jahren“, sagte der Tübinger Ökonom Joachim Starbatty. Mehr als zehn Jahre nach Einführung der europäischen Einheitswährung hat die Euro-Zone mit ihren inzwischen 17 ungleichen Mitgliedern aus Sicht der vier renommierten Professoren und des Ex-Top-Managers keine Zukunft mehr - allenfalls eine Schrumpfkur mit Beschränkung auf die sieben wirtschaftsstärksten Länder könnte den Euro noch retten.
Vor dem Spruch der obersten deutschen Richter in Karlsruhe holten die Euro-Skeptiker, alle Professoren und älter als 70 Jahre, noch einmal zum großen Rundumschlag aus - im „Kaminzimmer“ des Berliner Luxushotels Adlon. Und warben gleich für ihr jüngstes Buch gegen die Einheitswährung.
Den Euro wollte die „Viererbande“ der Ex-Notenbanker, Juristen und Ökonomen ohnehin nie. Mit der Schuldenkrise und immer neuen, oft wirkungslosen Milliardenhilfen sehen sie sich bestätigt. Gemeinsames Credo: Mit den Milliardenhilfen werde nicht der Euro gerettet, dafür aber der Hauptretter Deutschland „bis ins Mark getroffen“.
Zwölf Jahre nach der ersten Klage gegen die Einführung des Euro haben es Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling, Karl Albrecht Schachtschneider und Joachim Starbatty daher noch einmal versucht. Mit Ex-Thyssen-Chef Dieter Spethmann zogen sie erneut vor das Verfassungsgericht. Die Beschwerde wurde angenommen. Entschieden wird nun auch über die Klage des CSU-Abgeordneten Peter Gauweiler.
Am Mittwochvormittag - um 10.00 Uhr - wird es ernst. Zur selben Zeit wird auch Kanzlerin Angela Merkel im Bundestag ihren umstrittenen Euro-Kurs als alternativlos verteidigen.
Einen Paukenschlag aus Karlsruhe und ein Aus für die bisherigen Rettungshilfen erwarten aber auch die notorischen Euro-Gegner nicht. Also kein radikales Nein zu den bisherigen Hilfen. Auch der Tübinger Ökonom Joachim Starbatty ist da Realist: „Wenn ein solches Urteil herauskäme, dann säßen im Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts lauter Helden.“ Daran glaube er nicht. Vielmehr dürfte das Verfassungsgericht den „finanzpolitischen Leichtsinn bremsen.“
Die Erwartungen an die Entscheidung der obersten Verfassungshüter sind dennoch hoch: „Es ist das wichtigste Urteil der deutschen Nachkriegsgeschichte“, ist Starbatty, Jahrgang 1940, überzeugt. Der einstige Staatssekretär unter Ludwig Erhard warnt eindringlich: „Entweder schrumpft sich die Euro-Zone gesund oder ich gebe dem Euro noch eine begrenzte Lebensfrist (...) von zwei bis fünf Jahren.“
Der Euro könne so nicht überleben, weil der Währungsunion Mitgliedstaaten angehörten, die einfach nicht zusammenpassten, warnt auch Hankel. Eine Möglichkeit wäre, dass Staaten austreten. „Ohne Rettungsschirm wäre Griechenland schon längst auf dem Weg der Besserung.“ Rechtzeitig hätte ein harter Schuldenschnitt erfolgen sollen und die Rückkehr zur eigenen Währung Drachme.
Dann, so argumentiert der Ökonom, wären Abwertungen möglich, um wettbewerbsfähig zu werden. Hankel, Jahrgang 1929, sieht das ähnlich: „Alle osteuropäischen EU-Länder mit eigener Währung - Polen, Lettland, Tschechien und Slowakei - stehen jetzt besser da“, ergänzt der Volkswirt, der sich gern als „Volksanwalt“ bezeichnet und mehrere Bücher schrieb, darunter natürlich das Werk „Die Euro-Lüge“.
Nach Ansicht der Euro-Skeptiker verstoßen die Hilfen gegen die Nichtbeistandsklausel der EU-Verträge. Nach der „No-Bail-Out“-Klausel dürfen Länder keine Schulden anderer Staaten übernehmen. Jurist Schachtschneider setzt noch einen drauf: Er sieht einen Angriff auf die freiheitliche Demokratie; Rechte des Parlaments würden ausgehebelt. Es drohe ein „Staatsstreich der politischen Klasse“, um zu einem vereinten Europa zu kommen. Das sei aber nur über eine Verfassungsänderung mit Volksabstimmung möglich. Und dafür, so Schachtschneider, könnten Politiker kaum mit Zustimmung rechnen.
„Das Eurosystem schädigt Deutschland, und zwar in einem bisher unvorstellbarem Ausmaß“, bis in die Generation der Enkelkinder, klagt Ex-Manager Spethmann. Der 85-Jährige meint: Kein einziges der von der EU erfundenen „Heilmittel“ bringe Griechenland & Co die verlorene Wettbewerbsfähigkeit zurück. „Die Krankheit wird überall bleiben: Man kann nicht zahlen - heute nicht, morgen nicht und übermorgen nicht.“ Die EU verschweige dies arglistig - und die Kanzlerin mit ihr.