Vorurteile und Tatsachen zu Flüchtlingen in Deutschland

Berlin (dpa) - Was bedeuten steigende Flüchtlingszahlen für Wohlstand und Sicherheit in Deutschland? Zahlreiche Vorurteile kursieren dazu in der Gesellschaft - zentrale Fakten:

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Nehmen Flüchtlinge Arbeitsplätze in Deutschland weg?

Asylbewerber dürfen zunächst gar nicht in Deutschland arbeiten. In den ersten drei Monaten ist ihnen das komplett verwehrt. Erst nach 15 Monaten fällt zudem die „Vorrangprüfung“: Steht ein Deutscher oder ein EU-Bürger für den Job zur Verfügung, bekommen Asylbewerber keine Beschäftigungserlaubnis. Die Arbeitgeber fordern eine Senkung dieser Fristen - denn der Bedarf an Arbeitskräften ist groß. Allerdings haben die Betroffenen auch aus anderen Gründen oft Schwierigkeiten, einen Job zu finden. So fehlen ihnen oft in Deutschland anerkannte Qualifikationen und Abschlüsse.

Dabei herrscht in vielen Berufsgruppen Fachkräftemangel, etwa in technischen oder Pflegeberufen. Mehr als ein Drittel der Betriebe fürchtet laut einer Umfrage dadurch Wettbewerbsverluste. Unterm Strich sind Arbeitskräfte aus dem Ausland nach offiziellen Prognosen durchaus nötig für Deutschland. So würde die Zahl der Menschen, die für den Jobmarkt in Betracht kommen, laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ohne Einwanderung von derzeit 45 Millionen Menschen bis zum Jahr 2050 auf unter 29 Millionen sinken. Ausländer in Deutschland zahlen laut einer Studie im Schnitt 3300 Euro mehr Steuern und Sozialabgaben als sie staatliche Leistungen erhalten.

Kommt die Mehrzahl der Flüchtlinge nach Deutschland?

Laut UN-Flüchtlingswerk UNHCR wurden zuletzt die weltweit meisten Asylanträge in Deutschland gestellt. In diesem Jahr werden bis zu 800 000 Flüchtlinge erwartet. Das heißt aber nicht, dass tatsächlich die meisten Flüchtlinge nach Deutschland kommen oder gar bleiben. In Deutschland haben in den ersten sieben Monaten zum Beispiel gut 44 000 Syrer einen Asylantrag gestellt. Millionen syrische Flüchtlinge suchen ohne Asylanträge im Libanon oder der Türkei Schutz. Unmittelbar hinter den Grenzen der EU und in Syriens Nachbarländern ist die Zahl von Flüchtlingen nun auf 4,01 Millionen angestiegen.

Nicht nur Flüchtlinge kommen nach Deutschland, die Zuwanderung insgesamt steigt deutlich an: 2012 sind mehr als eine Million und 2013 mehr als 1,2 Millionen Menschen zugezogen; für 2014 werden mehr als 1,4 Millionen Zuwanderer geschätzt. Deutschland ist nach den USA mit einem Nettozuzug von rund 500 000 Personen im letzten Jahr das begehrteste Zuwanderungsland weltweit.

Gibt es mehr Kriminalität unter Migranten?

„Es gibt keine Zahlen, die dieses Vorurteil bestätigen würden“, sagt Jörg Radek, der Vizevorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Allerdings hält er die Lebensbedingungen vieler Flüchtlinge, etwa das Arbeitsverbot und die damit einhergehende Langeweile, für einen Faktor, der Kriminalität begünstigen kann. „Das trifft aber auch für Deutsche zu“, sagte Radek. Er verweist zudem darauf, das bereits die unerlaubte Einreise nach Deutschland als Straftat zählt.

„Kaum etwas ist so sehr geeignet, andere abzuwerten, wie die Kategorisierung als „Kriminelle““, heißt es in einer Studie. Demnach fallen erwachsene Einwanderer nicht vermehrt durch Straftaten auf. Das gilt im Prinzip auch für Jugendliche, allerdings würden junge Menschen mit Migrationshintergrund häufiger angezeigt.

Bekommen Asylbewerber mehr Unterstützung als Langzeitarbeitslose?

Eher weniger, obwohl das Bundesverfassungsgericht 2012 entschieden hat, dass gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum nicht verstoßen werden darf. Deshalb müssten Leistungen für Asylbewerber etwa auf das Niveau von Sozialhilfeempfängern und Hartz-IV-Beziehern angehoben werden.

Derzeit bekommen Asylbewerber in den ersten 15 Monaten vor allem Sachleistungen und ein Taschengeld. Alleinstehende erhalten 143 Euro im Monat. Erwachsene, die als Partner einen Haushalt teilen, bekommen je 129 Euro. Wer sonst noch im Haushalt lebt, bekommt 113 Euro. Und für Kinder stehen den Familien je nach Alter zwischen 85 und 92 Euro zu. Nach Angaben des paritätischen Wohlfahrtsverbandes liegen die Sach- und Geldleistungen zusammen bei einem Flüchtling etwa zehn Prozent unter den Hartz-IV-Regelsätzen.

Ist ein Flüchtling länger als 15 Monate im Land, stehen ihm bei Bedürftigkeit Leistungen auf dem Niveau der Sozialhilfe zu. Damit erhält ein alleinstehender Asylbewerber etwa 392 Euro. Außerdem werden - wie bei Hartz-IV-Empfängern - Wohnkosten erstattet.