„Wirtschaftsweiser“: Merkels Euro-Antikrisenstrategie gescheitert

Berlin (dpa) - Der „Wirtschaftsweise“ Peter Bofinger hat den Kurs der Bundesregierung in der Euro-Schuldenkrise scharf kritisiert. Insgesamt habe die Strategie der Bundesregierung, die Krise über einen maximalen Marktdruck und dadurch forcierte Sparprogramme zu lösen, „völligen Schiffbruch erlitten“.

Das erklärte Bofinger in einer Stellungnahme für eine Anhörung des Bundestags-Haushaltsausschusses am Montag in Berlin. Die Wahl in Frankreich sollte für eine Neuorientierung genutzt werden. Andere Experten wie der Chef des Rettungsfonds EFSF stützten dagegen den Kurs der Euro-Länder.

Bei einer Expertenbefragung zum Rettungsschirm ESM und zum Fiskalpakt monierte Bofinger: „Nicht zuletzt die dadurch entstandenen teilweise extrem hohen Arbeitslosenraten von jungen Menschen stellen eine große Gefahr für die politische Stabilität und zugleich für die Zustimmung der Bürger zur Europäischen Union dar.“ Aus Sicht des Wirtschaftsprofessors hat auch die Europäische Zentralbank versagt.

Das Finanzministerium wies die Kritik zurück. Der Parlamentarische Staatssekretär Steffen Kampeter (CDU) warf Bofinger eine Fehleinschätzung der Ursachen der Staatsschuldenkrise vor. „Diese liegen in der Überschuldung der öffentlichen Haushalte in Folge fehlender Finanzdisziplin, sowie der mangelnden wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit in einigen Ländern.“ Konjunkturprogramme wären in diesem Umfeld wenig hilfreich. Auch die Forderung, wirtschaftliche Ungleichgewichte innerhalb der Währungsunion durch eine Rückführung der Arbeitsmarktreformen abzubauen, erscheine wenig zielführend.

Über Fiskalpakt und den im Juli startenden ESM stimmt der Bundestag am 25. Mai ab. Beim Fiskalpakt ist Schwarz-Gelb auf die Opposition angewiesen, da in Bundestag und Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit nötig ist. Die Linkspartei hat Verfassungsklage angekündigt, die Grünen plädieren für eine spätere Abstimmung.

Der Chef des befristeten Hilfsfonds EFSF, Klaus Regling, nannte die „rigorose Umsetzung“ der Reformen und Haushaltssanierung dagegen ein zentrales Element, um die Schuldenkrise zu überwinden: „Ich bin überzeugt, dass die europäische Währungsunion mit diesem Maßnahmenbündel aus der Krise gestärkt hervorgehen und in Zukunft besser funktionieren wird“, heißt es in Reglings Stellungnahme.

Regling geht davon aus, dass die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und den Europäern bereitgestellten Mittel gegen die Krise vorerst reichen. „Ich teile diesen Pessimismus nicht.“ Es gehe aber nicht nur um die Größe der Rettungsschirme, sondern auch um bessere Fundamentaldaten. Es dauere aber, bis Strukturreformen wirken.

Regling warnte zugleich vor Verzögerungen beim ESM. Ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone hätte katastrophale Auswirkungen für das Land und brächte Probleme auch für die Gläubiger. Athen habe dann wirklich eine Chance, wenn die Reformen fortgesetzt werden.

Die Bundesbank verwies darauf, dass sich die Tendenz der spürbaren Vergemeinschaftung von Risiken fortsetze. Auch künftig komme daher der Möglichkeit, dass Märkte bei unsolider Finanzpolitik spürbare Zinsaufschläge auf Staatsanleihen verlangen, eine wichtige Rolle zu.

Die „Wirtschaftsweise“ sowie Finanz- und Bankenexpertin Claudia Bach betonte: „Die Krise hat auch gezeigt, dass solide Staatsfinanzen alleine nicht ausreichen. Vielmehr müssen zusätzlich die Verschuldungsanreize des privaten Sektors begrenzt werden.“ Nötig sei ein Langfristkonzept mit klaren Regeln für den Umgang mit Krisen.

Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, warnte, die Auswirkungen des Fiskalvertrages für Deutschland seien völlig unklar. Wesentliche Auslegungsentscheidungen lägen noch nicht vor. Mit dem Vertrag werde die Geschäftsgrundlage der deutschen Schuldenregel im Grundgesetz in Frage gestellt.

Unions-Haushaltsexperte Norbert Barthle (CDU) nannte den Fiskalvertrag einen wichtigen Baustein für die neue Stabilitätsarchitektur in Europa. Er betonte: „Eine Aufweichung des Vertrages wird es mit der Union nicht geben.“

Aus Sicht der haushaltspolitischen Sprecherin der Linken, Gesine Lötzsch, ist in der Anhörung deutlich geworden, dass der Fiskalpakt nicht nur verfassungsrechtlich außerordentlich bedenklich sei, sondern auch das falsche Instrument, um die Krise zu beenden.