Flüchtlinge: Kritik an „Euphorie“ der Industrie
Berlin (dpa) - Unter Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft ist ein Streit um die Haltung in der Flüchtlingspolitik entbrannt. Der Industrieverband BDI und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) wiesen Aussagen der Bauindustrie zurück, die Wirtschaft weise zu wenig auf die Risiken hin.
Der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Deutschen Bauindustrie, Michael Knipper, hatte in einem offenen Brief im „Tagesspiegel“ die „undifferenzierte Euphorie großer Teile der deutschen Industrie“ kritisiert. Weiter hieß es: „Ich halte es für falsch, dass bisher auch die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft zu wenig auf die mit der unkontrollierten hohen Zuwanderung verbundenen Risiken hinweisen.“
Die Sichtweise, die staatlichen Milliardenausgaben für Flüchtlinge seien ein kleines Konjunkturprogramm, sei „blauäugig“, schrieb Knipper an BDI-Geschäftsführer Markus Kerber. Die Ausgaben für Flüchtlinge erzeugten lediglich ein „konjunkturelles Strohfeuer“ und könnten etwa in der Bildung oder der Infrastruktur besser investiert werden. Auch die Vorstellung, die Flüchtlinge könnten schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden, sei wahrscheinlich illusorisch.
Der Industrieverband BDI und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) wiesen den Vorwurf, „blauäugig“ zu sein, am Wochenende zurück. Eine BDI-Sprecherin verwies auf eine Erklärung der vier Wirtschafts-Spitzenverbände DIHK, BDI, BDA und ZDH von Mitte September. „Anerkannte Verfolgte, die in Deutschland bleiben, müssen schnellstmöglich in Schulbildung, Ausbildung und Beschäftigung kommen“, hatten die Verbandspräsidenten gefordert. „Das ist der beste Weg zur dauerhaften Integration und zügigen Beendigung des Bezugs von Sozialleistungen. A und O hierfür ist eine frühestmögliche Vermittlung der deutschen Sprache.“ Deutschland stehe vor immensen Herausforderungen. Das Asylsystem in Deutschland dürfe jedoch nicht überfordert werden.
Ein BDI-Sprecher verwies am Sonntag darauf, Hauptgeschäftsführer Kerber habe in der Flüchtlingspolitik Chancen, aber auch Risiken aufgezeigt. So hatte Kerber im September der „Zeit“ gesagt: „Die Wirtschaft sieht in der Zuwanderung erst einmal eine Chance, Fachkräfte zu finden.“ Aber viele Flüchtlinge müssten nachgeschult werden, weil die Unternehmen heute kaum noch ungelernte Arbeitskräfte suchten. Es würden viel mehr Menschen benötigt, die Deutsch als Fremdsprache unterrichten können.
DIHK-Präsident Eric Schweitzer hatte Mitte Oktober der „Bild“-Zeitung gesagt, er halte es grundsätzlich für einen sinnvollen Ansatz, Flüchtlingen über Einstiegsqualifizierungen einen Einstieg in die Arbeitswelt zu ermöglichen. Voraussetzung aber seien ausreichende Deutschkenntnisse.