Planungsfehler Großprojekte: Darum explodieren die Baukosten
Planungsfehler haben ihre Ursache oft in menschlichen Schwächen — von Selbstüberschätzung bis zu Unterwerfung unter innerem und äußerem Druck.
Düsseldorf. Kostenexplosionen bei Großprojekten — bei dem Thema denkt man wohl am ehesten an das Desaster um den Berliner Großflughafen (Kostensteigerung von 2,5 auf mindestens 5,4 Milliarden Euro). Oder an die Hamburger Elbphilharmonie. Oder an den Limburger Bischofssitz. Doch auch in unserer Region gibt es Projekte, die den Steuerzahler teurer zu stehen kommen als geplant. Allen voran das Landesarchiv in Duisburg, für das die Baukosten ursprünglich auf gut 30 Millionen Euro geschätzt wurden. Und am Ende wohl bei 190 Millionen Euro liegen werden. Weitere regionale Großprojekte zeigen wir gesondert auf dieser Seite.
Wenn bei Großprojekten die Kosten aus dem Ruder laufen, liegt das meist an Fehlern in der Vorplanungsphase. Das hat eine Studie der Hertie School of Governance gezeigt, die erschreckende Ergebnisse ans Licht brachte. Für die Analyse wurden 170 öffentliche Infrastruktur-Großprojekte in Deutschland begutachtet. Hinsichtlich der untersuchten und bereits abgeschlossenen Projekte gab es eine durchschnittliche Kostensteigerung von 73 Prozent pro Projekt. Insgesamt wurden die 170 Infrastrukturprojekte um 59 Milliarden Euro teurer als kalkuliert — statt geplanter 141 stiegen die Gesamtkosten auf 200 Milliarden Euro. Im Straßenbau beträgt die durchschnittliche Kostensteigerung 27 Prozent. Bei der Rüstungsbeschaffung und bei Energieprojekten sind es 19 und bei Projekten der Informationstechnologie sogar 25 Prozent.
Am Beispiel der Hamburger Elbphilharmonie, die statt der ursprünglich geschätzten Gesamtkosten von knapp 352 Millionen nun wohl 865 Millionen Euro (plus 146 Prozent) kosten dürfte, führt das Gutachten auch die menschlich-psychologischen Fehler auf, die zu der Kostenexplosion führten. In der Öffentlichkeit seien Erwartungen geweckt, es sei eine Elbphilharmonie-Euphorie ausgelöst worden, an der sich dann alle weiteren Projektentwicklungen messen lassen mussten. Getrieben von den hohen Erwartungen hätten Projektplaner bewusst Kosten-Nutzen-Kalkulationen und Kostenschätzungen verzerrt, um die Zustimmung in der Hamburger Bürgerschaft sicherzustellen.
Denkfehler und verhaltenspsychologische Phänomene faszinieren auch Barbara E. Weißenberger, wenn es um die Ursachen für Kostenüberschreitungen bei Großprojekten geht. Sie leitet den Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre an der Heine-Uni in Düsseldorf. Auf einem Vortrag in Düsseldorf bezeichnete sie neben dem immer wieder zu beobachtenden Phänomen der Selbstüberschätzung von Entscheidungsträgern auch den „Bestätigungseffekt“ als ein Risiko: „Wenn wir eine Meinung gefasst haben, suchen wir nur Informationen, die diese stützen. Informationen, die dagegen sprechen, werden ausgeblendet.“ So lege man sich oft viel zu früh auf eine Alternative fest. Auch der „Sonnenblumeneffekt“ führe zu Fehlentscheidungen. So wie die Sonnenblume sich nach der Sonne ausrichte, orientierten sich Mitarbeiter oft kritiklos an dem vorangehenden Chef oder Meinungsführer. Hier könne nützlich sein, einen Advocatus Diaboli zu installieren. In der katholischen Kirche ist dies ein Geistlicher, der Gründe gegen eine Heiligsprechung vorbringen soll. Auch bei weltlichen Projekten sollte es einen Beauftragten geben, dessen Aufgabe es ist, nur Gegenargumente vorzubringen — damit sie überhaupt auf den Tisch kommen.
Verhaltensbedingte Führungsfehler gebe es freilich auch in der Privatwirtschaft. Weißenberger nennt das Beispiel VW. Hier habe offenbar Autoritätsdruck von oben dazu geführt, dass von den Mitarbeitern technologisch Unmögliches verlangt wurde: Ein Motor, der sowohl die Abgaswerte als auch bestimmte Kostenwerte einhält. Der Druck von oben im Sinne von „Ihr müsst das schaffen“ koste VW nun Milliardenbeträge.