Robuste Konjunktur lässt Staatskasse klingeln
Wiesbaden (dpa) - Die robuste Konjunktur und die historisch günstige Lage auf dem Arbeitsmarkt haben dem deutschen Staat im ersten Halbjahr einen Rekordüberschuss eingebracht.
Bund, Länder, Gemeinden und Sozialkassen nahmen unter dem Strich nach vorläufigen Berechnungen 18,5 Milliarden Euro mehr ein als sie ausgaben. Bezogen auf die gesamte Wirtschaftsleistung lag das Plus bei 1,2 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.
Für die Monate Januar bis Juni haben die Statistiker noch nie einen derart kräftigen Überschuss errechnet. Es war das größte Plus seit der zweiten Jahreshälfte 2000, als die Versteigerung von UMTS-Mobilfunklizenzen Sondereinnahmen in Milliardenhöhe in die öffentlichen Kassen gespült hatte. Den zunächst für die ersten sechs Monate 2015 errechneten Überschuss von 21,1 Milliarden Euro korrigierten die Statistiker nach eigenen Angaben deutlich nach unten.
Von Januar bis Juni dieses Jahres füllten Steuern und Sozialbeiträge dank der guten Lage auf dem Arbeitsmarkt und der stabilen Konjunktur die öffentlichen Kassen von Europas größter Volkswirtschaft. Zudem profitierte der deutsche Fiskus von der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Er kann sich derzeit billiger Geld leihen als früher.
Mitte Juni war erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen sogar in den negativen Bereich gerutscht. Der Bund konnte damit langfristig Schulden aufnehmen und dafür Geld kassieren, anstatt Zinsen zu zahlen. Die Zinsausgaben des Staates insgesamt sanken nach Angaben der Wiesbadener Behörde im ersten Halbjahr um 13,8 Prozent.
Deutschland ist erneut weit entfernt von der Schuldenobergrenze des Euro-Stabilitätspaktes. Erlaubt ist höchstens ein Defizit von 3,0 Prozent der Wirtschaftsleistung. Zuletzt verfehlte Deutschland diese Marke 2010 mit einem Minus von 4,2 Prozent im Gesamtjahr.
Im zweiten Quartal blieb die deutsche Wirtschaft auf Wachstumskurs, drosselte nach dem starken Jahresauftakt allerdings ihr Tempo etwas. Von April bis Juni stieg das Bruttoinlandsprodukt - getrieben vor allem vom Außenhandel - gegenüber dem Jahresanfang um 0,4 Prozent, wie die Statistiker erste Berechnungen bestätigten. Im ersten Quartal war die deutsche Wirtschaft noch kräftiger um 0,7 Prozent gewachsen.
Zwar verlor der Export angesichts der Eintrübung der Weltwirtschaft an Schwung. Von April bis Juni gingen aber immer noch 1,2 Prozent mehr Waren und Dienstleistungen ins Ausland als im Vorjahreszeitraum. Die Importe sanken hingegen leicht. Unter dem Strich trug der Außenhandel damit maßgeblich zum Wachstum bei.
Auch die Ausgaben des Staates unter anderem für die Unterbringung und Integration Hunderttausender Flüchtlinge sowie die Konsumfreude der Verbraucher trugen zum Wachstum bei. Sinkende Investitionen am Bau und der Unternehmen in Ausrüstungen wie Maschinen bremsten dagegen. Zum Jahresanfang hatte die Baubranche vom milden Winter profitiert, Projekte wurden vorgezogen. Dieser Effekt entfiel im zweiten Quartal.
Ökonomen rechnen damit, dass Deutschland trotz des Neins der Briten zur weiteren Mitgliedschaft in der EU, eingetrübter Aussichten für die Weltwirtschaft und Krisen rund um den Globus vorerst auf Wachstumskurs bleibt. Impulse dürften dabei vor allem aus dem Inland kommen. Arbeitslosigkeit und Inflation sind niedrig, die Verbraucher sind in Konsumlaune. Eine konjunkturelle Schwäche können Volkswirte der BayernLB derzeit nicht diagnostizieren: „Das überraschende Brexit-Votum im Juni trifft die deutsche Konjunktur in insgesamt guter Verfassung.“
Am besten stand der Bund in Sachen Staatsfinanzen im ersten Halbjahr da. Auf ihn entfiel mit 9,7 Milliarden Euro knapp die Hälfte des Überschusses. Die Gemeinden kamen auf ein Plus von 2,5 Milliarden Euro, die Länder auf 0,4 Milliarden Euro. Die Sozialversicherung schloss mit einem Überschuss von 5,9 Milliarden Euro ab.