Schäuble: Auch Private müssen bei Staatspleiten einspringen
Brüssel (dpa) - In der Debatte um einen wetterfesteren Euro lehnt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble eine Transferunion zulasten starker Mitgliedstaaten ab.
„Die Wirtschafts- und Währungsunion wurde nicht dafür geschaffen, ein Umverteilungssystem von reichen zu armen Mitgliedstaaten zu sein“, sagte der CDU-Politiker in Brüssel vor dem Hintergrund der zugespitzten Schuldenkrise in Griechenland und Portugal.
In der EU wird ein neues Rettungspaket für Schuldensünder Griechenland debattiert. EU-Währungskommissar Olli Rehn pochte darauf, dass die Regierung in Athen vor Entscheidungen der Europartner neue Reformen und Privatisierungen ankündigen müsse. Damit sei in den kommenden Tagen zu rechnen. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte mit Blick auf die Krisenländer im Eurogebiet: „Eine Umschuldung könnte niemals eine Alternative sein zu den zugegebenermaßen schmerzhaften Anpassungen, die umgesetzt werden müssen.“
Schäuble warb bei einer Wirtschaftstagung der EU-Kommission für eine Beteiligung des Privatsektors, um künftig Staatspleiten im gemeinsamen Währungsgebiet zu verhindern. In den Regeln für den neuen Krisenfonds ESM, der von 2013 an arbeiten wird, solle dies verankert werden. „Mit der Beteiligung des Privatsektors stärken wir die Prinzipien der Marktwirtschaft“, sagte Schäuble.
Er wehrte sich ausdrücklich gegen Szenarien, wonach die fallweise Beteiligung von privaten Gläubigern bei der Rettung von Pleitestaaten die Unsicherheit noch vergrößern werde: Es könne nicht sein, dass alle Lasten Steuerzahlern aufgebürdet würden. „Die Märkte haben zu einem großen Teil bereits hingenommen, dass es Regeln für die Beteiligung des Privatsektors geben wird.“
In deutlicher Sprache warnte Schäuble, ein ausgewiesener Europapolitiker, vor einer wachsenden Kluft zwischen den EU-Einrichtungen und den Bürgern. „Die Institutionen Europas und ihre Vertreter werden als entfernt und technokratisch wahrgenommen, eingetaucht in ihre eigene Welt.“
Die Schaffung des ESM-Fonds ist in der EU bereits grundsätzlich vereinbart und wird derzeit von Schäuble und seinen europäischen Amtskollegen verhandelt - die Arbeiten sollen nach früheren Angaben von Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker bis Ende Juni abgeschlossen werden.
Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, sagte, die sich abzeichnende „sanfte“ Umschuldung Griechenlands, bei der die Laufzeiten für die bestehenden Hilfskredite gestreckt würden, reiche nicht aus: „Laufzeitverlängerungen sind erst der Anfang, aber damit kommt man nicht hin.“ Er fügte hinzu: „Wir brauchen einen Schuldenschnitt.“ Mayer geht davon aus, dass etwa die Hälfte aller Verbindlichkeiten Griechenlands gestrichen werden müsse, damit Athen wieder auf die Füße kommt.