Konzernchef Werner Baumann: Ein Leben für Bayer — und jetzt ganz oben angekommen
Der Krefelder Werner Baumann übernimmt am 1. Mai das Ruder beim Chemieriesen. Was er über das Unternehmen und über sich sagt.
Leverkusen/Krefeld. „Im Alter von 50 Jahren mit dem Arbeiten aufhören, so wie mein Großvater, und dann nur noch tun, was einem Spaß macht, das wäre eine tolle Sache.“ So hat er früher mal gedacht. Doch nun ist Werner Baumann schon 53 und steht gerade am Beginn seiner bisher größten Aufgabe. Der gebürtige Krefelder übernimmt am 1. Mai das Ruder beim Chemieriesen Bayer mit seinen weltweit knapp 117 000 Mitarbeitern.
Als der Noch-Konzernlenker Marijn Dekkers ihn bei der Bilanz-Pressekonferenz Ende Februar als seinen Nachfolger vorstellte, da wirkte Baumann neben dem charismatischen und äußerst erfolgreichen Niederländer noch etwas bedächtig, zurückhaltend. Doch im persönlichen Gespräch, zu dem er sich jetzt mit Journalisten in Leverkusen traf, zeigt sich, dass er durchaus in der Lage sein dürfte, in die großen Fußstapfen des Vorgängers zu treten, der seit seinem Amtsantritt im Januar 2010 Rekord um Rekord vermeldete. Er sei ja schließlich zum selben Zeitpunkt in den Vorstand gekommen, sagt Baumann. Will meinen: auch er hat seinen Teil an dem Erfolg.
Bei Bayer ist der verheiratete Vater von vier Kindern freilich schon viel länger. Nämlich 28 Jahre — sein ganzes Berufsleben. Nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften heuert er 1988 in Leverkusen an. 1991 geht er als Controller zu Bayer Hispania nach Barcelona, wird 1995 Assistent der Geschäftsführung. Spanien ist heute noch sein Lieblings-Urlaubsland. Weiter geht es 1996 in die USA, bevor er 2002 nach Deutschland zurückkehrt und Schritt für Schritt die Leiter hochklettert. So begleitet er von 2006 bis 2009 als Vorstandsmitglied von Bayer Schering Pharma die Integrationsphase des Unternehmens in den Teilkonzern.
Im Schlaf kann er die Zahlen der „prägenden Säulen“ von Bayer heruntersagen. Den Pharmabereich (15 Milliarden Euro Umsatz). Die stark wachsende Sparte mit den rezeptfreien Gesundheitsprodukten (Umsatz sechs Milliarden Euro, „die wächst sogar in wirtschaftlich unsicheren Zeiten“). Und das Agrargeschäft (10,4 Milliarden Umsatz), für das er ebenfalls eine große Zukunft sieht. Hintergrund: Bevölkerungswachstum, sinkende Anbaufläche pro Kopf und die Herausforderungen für die Landwirtschaft durch den Klimawandel.
Bei solchen Aussichten erkennt Baumann „keine Notwendigkeit für einen fundamentalen Strategiewechsel bei Bayer“ und setzt auf „Evolution statt auf Revolution“. Er selbst sieht sich dabei als „Teamplayer“ und als „Freund der einfachen und klaren Darstellung“. Die Unternehmenskultur bezeichnet er so: „Eine Primadonnenkultur passt nicht nach Leverkusen. Der direkte kollegiale Zugang passt zu uns.“ Auch das Scheitern sei als natürlicher Teil des Geschäfts zu sehen. „Am besten natürlich in kleinem Umfang“, fügt er hinzu.
Baumann kann auch verschmitzt nichtssagend sein, wenn er eine Information nicht herausrücken will. So wie bei der Frage, wann Bayer seine Beteiligungen an der abgespaltenen Kunststoffsparte (jetzt Covestro) auf den Markt wirft. „Das ist ’ne gute Sache“, oder „Es geht weiter nach vorn“, sagt er da nur.
Auch von sich persönlich erzählt er ein bisschen was: Von dem Bäckergeschäft der Eltern in Krefeld, anhand dessen er „die Wertschöpfungskette eines Unternehmens und den unternehmerischen Mikrokosmos“ einst kennenlernte. Das Geschäft, in dem er auch hinter der Ladentheke stand, gibt es längst nicht mehr. Baumann wohnt aber weiter mit seiner Familie in Krefeld.
Sein Haus dürfte eine recht große Garage haben. Er hat „sechs oder sieben Autos“, wie er sagt, denn seine Leidenschaft sind ältere Vehikel: „Klein, laut und schnell — das gefällt mir“, sagt der Mann, der keinen Dienstwagen hat, sondern auf die Fahrbereitschaft zurückgreift, wenn er nicht mit einem der kleinen, lauten, schnellen Autos fährt. Und dass er gern handwerklich tätig ist, sagt er noch. Den Abfluss in der Küche reparieren und Ähnliches — das könne er schon. Und der Zuhörer denkt sich dabei: Wirtschaftlich kann es nicht sein, sich bei den Millionenbezügen die Handwerkerkosten zu sparen. Das muss schon Leidenschaft sein.