Trend auf dem Prüfstand Allrad im Alltag: Wer braucht den Vierradantrieb?

Zwickau/München (dpa/tmn) - Auf deutschen Straßen sind immer mehr Autos mit Allradantrieb unterwegs. Die Zulassungszahlen gehen seit Jahren nach oben. In den vergangenen fünf Jahren ist der Wert von 2,95 auf 4,33 Millionen gestiegen, wie Statistiken des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) zeigen.

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Die Gründe für den Allrad-Trend liegen aus Sicht des ADAC in gutem Hersteller-Marketing, aber auch in immer besseren Allradsystemen. Die zunehmende Beliebtheit von SUVs dürfte die Entwicklung ebenfalls antreiben. Doch wer braucht Allrad im Alltag? Und wem reichen vielleicht doch elektronische Traktionshilfen für seine Bedürfnisse?

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Beim Fahrverhalten haben Allradantriebe einige Vorzüge gegenüber Front- sowie Heckantrieb: Sie böten allgemein einen Traktions- und Sicherheitsvorteil, sagt Jörn Getzlaff, Professor für Antriebstechnik und Fahrzeugkonzepte an der Westsächsischen Hochschule Zwickau. Durch die Verteilung auf vier statt zwei Räder können höhere Antriebskräfte vom Motor übertragen werden. In Kurven sei das Fahrverhalten besser. Und im Vergleich zum Vorderradantrieb hätten Allradautos „deutliche Vorteile“ bei der Beschleunigung.

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Auf der anderen Seite sind Allradfahrzeuge im Vergleich zu Front- oder Heckangetriebenen teurer. „Sie brauchen extra eine Kardanwelle, ein Verteilergetriebe und mehr Differentiale, der mechanische Aufwand ist relativ hoch“, sagt Getzlaff. Das macht die Autos auch schwerer. Sie verbrauchen dadurch außerdem etwas mehr Kraftstoff.

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Zusammengefasst bietet ein Allradantrieb also Vorteile im Fahrverhalten zum Preis von einem höheren Gewicht, mehr Verbrauch und höheren Anschaffungskosten. Für wen also lohnt er sich?

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„Allrad hat Vorteile in vielen Situationen“, sagt Christian Anosowitsch von Mercedes-Benz. Der Antrieb bringe mehr Sicherheit, beispielsweise auf nassen Straßen. Gleiches hört man bei Audi. Allrad biete in jeder Alltagssituation Mehrwert, sagt Dieter Weidemann, der den Bereich Allradsysteme-Entwicklung bei den Ingolstädtern leitet. Das ist die Herstellersicht.

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Beim ADAC erachtet man Allrad nicht generell und für jeden Einsatzzweck als sinnvoll. Es komme darauf an, wo man wohnt und was man fährt. Allrad bewährt sich beispielsweise in den Bergen sowie auf steilen Hängen. Auch wer regelmäßig schwere Lasten wie Pferdeanhänger oder Wohnwagen ziehen muss, profitiert von der besseren Traktion. Was einfach beschrieben heißt: Die Antriebskraft des Motors wird besser in Vortrieb auf der Straße umgesetzt.

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Geht es aber um die rein technische Argumentation der Traktion, genügt laut ADAC für einen Großteil der Strecken, die die meisten Autofahrer so zurücklegen, ein gewöhnlicher Heck- oder Frontantrieb. Getzlaff sieht es ähnlich: In den überwiegenden Fahrsituationen sei der Antrieb über zwei Räder ausreichend.

Allradsysteme wollen Drehmomente bestmöglich auf die vier Räder verteilen. Ein Großteil moderner Allradautos nutzt dafür elektronisch gesteuerte Lamellenkupplungen. „Die haben sich durchgesetzt, weil sie mit ESP funktionieren“, sagt Getzlaff. Opel zum Beispiel hat in der Allrad-Variante des Insignia zwei Lamellenkupplungen eingebaut. Sie leiten die Kraft Opel zufolge genau dosiert an jedes Rad weiter.

Lamellenkupplungs-Systeme seien eher für gelegentlichen Geländebetrieb gedacht, sagt Getzlaff. Für längere Offroad-Touren kommen dagegen reinrassige Geländefahrzeuge ins Spiel - mit den „althergebrachten Systemen“, wie Getzlaff sie nennt. Sie haben individuell steuerbare Sperrdifferentiale.

Und was bringen elektronische Hilfen? Seit Herbst 2014 ist das Elektronische Stabilitätssystem (ESP) in jedem neu zugelassenen Auto in Europa Pflicht, so Getzlaff. Elektronische Hilfen im Allgemeinen könnten die Traktion beim Anfahren verbessern, aber Allrad-Systeme nicht ersetzen, erklärt der ADAC. Getzlaff zufolge helfen sie im physikalischen Grenzbereich, erweitern ihn aber nicht.