Autodesigner im globalen Netzwerk

Stuttgart/Tokio (dpa/tmn) - L.A., Tokio, Oberursel - und das Design stimmt. Autohersteller spannen globale Netze für ihre Kreativabteilungen. Weltweit verstreute Studios sollen Trends aufspüren. Manchmal hilft aber nur „den Kopf frei kriegen“ - zum Beispiel im Taunus.

Ein VW Golf kommt aus Wolfsburg, eine Mercedes S-Klasse aus Stuttgart, ein Ford Explorer aus Detroit und ein Mazda6 aus Yokohama. Für die Technik mag das trotz weltweiter Fertigungsverbünde noch halbwegs stimmen. Doch beim Design sieht die Sache ganz anders aus: Weil ihre Neuheiten den Geschmack der Kunden in aller Welt treffen sollen, arbeiten die Designer der Autohersteller längst global. Sie haben die Welt mit einem Netzwerk von Studios überzogen, in denen an den Formen von Morgen gefeilt wird.

„Wir sind weltweit auf der Suche nach Trends und neuen Entwicklungen“, sagt Steffen Köhl, der bei Mercedes das Advanced Design verantwortet. Die Schwaben betreiben zwar ein großes Designcenter in Sindelfingen. Doch „an den großen Brennpunkten der Stil- und Trendentwicklung“ habe man weitere Studios eingerichtet, sagt Köhl. So arbeitet im norditalienischen Como ein Team vor allem an den Interieurs künftiger Modelle. Die Arbeit wird inspiriert von Messen und Veranstaltungen in der nahen Mode- und Möbelmetropole Mailand. Eine Dependance in Carlsbad im US-Staat Kalifornien soll früh von den Lifestyle-Trends erfahren, die dort entstehen. Und in Asien gibt es zwei Zentren - eines in China, eines in Japan.

Die unterschiedlichen Einflüsse könnten in der Produktpalette deutlich nachvollzogen werden, sagt Köhl. Die Idee zum elektrischen Roller etwa, den Smart im Herbst 2010 auf dem Pariser Salon präsentiert hat, stamme aus China, „weil dort fast jeder auf zwei Rädern durch die Stadt stromert“. Im Dauerstau von Tokio entstünden Ideen für kommende Megacity-Vehicles, und im lässig-lockeren Kalifornien habe zum Beispiel die Idee für das Comeback des Flügeltürers Gestalt angenommen.

Nicht nur Mercedes schätzt Kalifornien als Design-Mekka. Audi und VW in Santa Monica, Kia und Mazda in Irvine, Ford, Chrysler oder Toyota - fast alle Hersteller mit Rang und Namen sind im Dunstkreis Hollywoods mit eigenen Kreativen angesiedelt. „Hier am sonnigen Pazifik kommen einem viele Ideen leichter und schneller als daheim im deutschen Nieselregen“, sagt einer aus dem VW-Team. Passenderweise wird im Rahmen der L.A. Autoshow jedes Jahr ein Kreativwettbewerb unter den Studios ausgerichtet. „Hier im Großraum Los Angeles gibt es wahrscheinlich mehr Autodesigner als sonst irgendwo auf der Welt“, sagt Andy Fuzesi, Chef der Autoshow. Er macht dafür die amerikanische „Offenheit für alles Neue“ und ebenfalls das „gute Wetter“ verantwortlich.

Die Designer zieht es für neue Ideen vor allem in die Ferne. Während viele Kreativköpfe deutscher Hersteller in Auslandstudios arbeiten, betreiben zahlreiche ausländische Hersteller Designbüros in Europa. Toyota hat ein Studio an der Cote d'Azur und dort den Kleinwagen iQ entworfen. Nissan-Designer suchen in London nach den neuesten Trends. Mazda und die Koreaner haben Kreativzentren im Rhein-Main-Gebiet angesiedelt. „Deutschland ist der anspruchsvollste Automobilmarkt in Europa, vielleicht sogar in der Welt. Hier kann man deshalb die wichtigsten Strömungen aufnehmen“, findet Kia-Sprecherin Silke Rosskothen und führt die Nähe zur Frankfurter Messe an. Die Koreaner unterhalten ein Studio im Herzen der Mainstadt.

Für Frankfurt sprechen aber nicht nur die wirtschaftliche Bedeutung und die vielen wichtigen Messen. Die Stadt bietet schlicht auch logistische Vorteile. Peter Birtwhistle, Leiter des Mazda-Studios im nahen Oberursel, sagt: „Wir müssen nicht nur viele Menschen, sondern auch viele Fahrzeugmodelle um die Welt fliegen. Da ist es einfach praktisch, wenn ein interkontinentaler Flughafen direkt vor der Haustür ist.“ Und wem der Trubel zu viel wird, der fahre raus in den Taunus, um den Kopf wieder frei zu bekommen. Der Kreativarbeit kann so etwas wohl nur gut tun.