Greifbare Neuheiten Bodenhaftung statt Zukunftsmusik auf dem Genfer Autosalon
Genf (dpa/tmn) - Die Visionen müssen warten. Nicht abgehobene Showcars und futuristische Technologieträger werden beim Genfer Salon(Publikumstage 8. bis 18. März) in Massen auf die Bühne gerollt, sondern Autos, die man schon heute oder zumindest morgen kaufen kann.
Überall an den Ständen auf der großen Frühjahrsmesse am Lac Léman ist das Wunschdenken der Wirklichkeit gewichen - es sind die greifbaren Neuheiten, die in Genf im Mittelpunkt des Interesses stehen.
Mercedes-Chef Dieter Zetsche zum Beispiel lenkt die Aufmerksamkeit auf die neue A-Klasse, Audi-Chef Rupert Stadler zieht das Tuch vom nächsten A6, und BMW zeigt einen neuen X4. Dazu kommen aus dem Ausland wichtige Volumenmodelle wie die Neuauflagen von Toyota Auris und Kia C'eed sowie der überfällige Honda CR-V oder ein kleiner Geländewagen von Lexus, der unter dem Kürzel UX angeboten wird.
Volvo lanciert den neuen V60, der gegen den Audi A4 Avant und den BMW 3er Touring antritt. Aus Frankreich kommen die Nachfolger der Schwestermodelle Peugeot Partner und Citroën Berlingo. Und weil die Franzosen den Traum von höheren Fahrzeugklassen nicht ganz aufgeben, gönnt sich Peugeot mit dem 508 auch wieder ein neues Flaggschiff.
Greifbar - das ist allerdings ein Begriff, der relativiert werden muss. Auch wenn ihr Marktstart bevorsteht, sind manche Autos an den Messeständen so teuer, dass sie für eine nur sehr kleine Käuferschicht in Betracht kommen.
Das gilt für den AMG GT als Viertürer mit bis zu 470 kW/639 PS oder das BMW M8 Grand Coupé genauso wie für den Ferrari 488 Pista als schnellstes und stärkstes V8-Modell in der Firmengeschichte oder den radikalen McLaren Senna als Rundstreckenrenner mit Straßenzulassung. Und auch das in Kleinserie gefertigte Range Rover Coupé ist nur für einen handverlesenen Kundenkreis gedacht.
Die Themen der Zukunft haben die Hersteller trotzdem nicht vergessen. Mittlerweile sind die neuen Modelle so hoch entwickelt, dass sie bereits viel an futuristisch anmutender Technik an Bord haben.
Die A-Klasse wird mit ihrem neuen Infotainment-System zum Smartphone auf Rädern, und der Audi A6 bekommt ausschließlich elektrifizierte Motoren - selbst wenn dafür nur ein Startergenerator mit 48-Volt-Technik sorgt, der aber merklich den Verbrauch senkt. Und bei Jaguar geht mit dem 294 kW/400 PS starken iPace der erste ernsthafte Tesla-Konkurrent eines konventionellen Herstellers in den Handel. Er soll mit einer Batterieladung knapp 500 Kilometer weit kommen.
Nicht weit genug gedacht? Dann lohnt sich ein Blick auf die wachsende Flotte der Plug-in-Hybriden und kaufbaren Elektroautos. Von den einen sind neue Varianten von Mercedes S- oder E-Klasse startklar, von den anderen zum Beispiel der Hyundai Kona oder das Brennstoffzellenauto Hyundai Nexo. Selbst die Energiegewinnung aus Wasserstoff ist damit im Hier und Heute angekommen und die Technik nicht mehr ultrateuer.
Selbst bei ihren sonst gerne etwas abgehobenen Studien beweisen die Autohersteller diesmal Bodenhaftung. Zwar macht VW wenig Hoffnung, dass der I.D. Vizzion als erster Volkswagen ohne Lenkrad und Pedale in den kommenden zehn Jahren in Serie geht. Und auch Entwürfe wie das Renault-Robotaxi EZ-GO wird es so schnell nicht auf der Straße geben. Doch Autos wie der BMW M8 Gran Coupé tragen das Etikett „Studie“ nur noch pro forma.
Auch der Porsche Mission E Cross Turismo, offiziell ebenfalls noch kein Verkaufsauto, hat gute Aussichten auf eine Serienfertigung. Denn dass es einen 441 kW/600 PS starken Elektro-Porsche geben wird, daran lässt der Anbieter keinen Zweifel. Und dass das Unternehmen der Idee eines sportlichen Geländekombis einen gewissen Reiz abgewinnen kann, gibt Designchef Michael Mauer gerne zu. Nicht, dass er es schon offiziell bestätigen würde. Aber wenn der Designchef darauf verweist, dass es bis dato alle Porsche-Studien auf die Straße geschafft hätten, dann kann das Schaustück in Genf ganz so abgehoben kaum sein.