Dein Freund das Zebra - Kinder für den Schulweg startklar machen

München (dpa/tmn) - Kinder balancieren auf dem Bordstein, jagen Schmetterlinge und verwechseln rechts und links. Rolf Zuckowski behauptet in einem Lied sogar, den Zebrastreifen werde mancher nie begreifen.

Dabei ist es nicht so schwer, Kinder für den Schulweg fit zu machen.

Für Sechsjährige ist die Bordsteinkante die Schwelle in eine fremde, gefährliche Welt. So beschreibt Gerhard Laub vom TÜV Süd die Situation für Kinder, die ihren Schulweg lernen. Der Schritt vom vergleichsweise sicheren Bürgerstieg zur Straße sei ein besonderer „Knackpunkt“, wenn Eltern Kinder auf ihren Schulweg vorbereiten. Deshalb sollten die Erwachsenen das Habachtverhalten beim Überqueren der Straße vorleben: „Vor dem Betreten der Straße mit dem Kind nicht über etwas anderes sprechen, sondern unterbrechen und die Aufmerksamkeit auf die Verkehrssituation lenken“, rät Laub.

Eltern sollten die Strecke zwischen Elternhaus und Schule einige Wochen vor dem Schulbeginn mehrfach mit dem zukünftigen Erstklässler abgehen, empfiehlt Laub. Damit die Kinder auch die Verkehrssituation zur Rushhour kennenlernen, sollten sie morgens und mittags gehen, sagt Andreas Bergmeier vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). „Samstagsnachmittags herrschen ja andere Bedingungen. Das wäre der falsche Zeitpunkt zum Üben.“

Grundsätzlich gelte für den Test-Schulgang: „Keine Regelkunde betreiben“, warnt der Verkehrspädagoge Siegbert Warwitz, der das Fußgängerdiplom für Grundschüler entwickelt hat. „Das würde das Entdecken blockieren.“ Erst später sollten Eltern Regeln einfließen lassen, etwa dazu, wie der Zebrastreifen einem helfen kann, über die Straße zu kommen. Zunächst sei es wichtig, dass das Kind ein Verkehrsgefühl entwickle. „Wie das Ballgefühl des Fußballers.“ Das gelinge, indem das Kind beobachte und selbst Erfahrungen sammle. Die Eltern sollten dann alle Beobachtungen in die richtigen Bahnen lenken: „Guck mal, was die anderen Leute bei den Ampelfarben machen“ oder „Was macht Papa, bevor er mit dem Auto abbiegt?“.

Auf keinen Fall sollten Eltern die Kleinen allerdings mit Entscheidungen alleine lassen: „Man überfordert Kinder schnell damit, eigene Entscheidungen zu treffen“, warnt Bergmeier. Deshalb sei es wichtig, den Schulweg fest abzustecken. „Nicht mal hier, mal da lang gehen.“ Der Weg müsse auch nicht immer der kürzeste sein: „Sicherheit kann auch bedeuten, dass das Kind einen Umweg gehen muss.“

Probleme bekämen viele Kinder, wenn sie plötzlich vom immer wieder mit Mama und Papa eingeübten Weg abweichen müssten, etwa weil ein Baustellenschild „Fußgänger andere Straßenseite benutzen!“ befiehlt. „Für ein Kind kann das ein Problem bedeuten, das es nicht bewältigen kann“, sagt Bergmeier. Daher müssten Eltern regelmäßig prüfen, ob es neue Hürden auf dem Weg zu meistern gibt. „Baustellen fallen ja nicht vom Himmel.“

Ab wann Kinder bereit sind, allein zur Schule zu gehen, ist umstritten. Laut Warwitz ist dies Teil der Schulreife. „Mit der Einschulung sollte das Kind fähig sein, allein zu gehen.“ Allerdings müssten Eltern bei dieser Entscheidung den Entwicklungsstand des Kindes und die Verkehrssituation auf der Strecke berücksichtigen.

Mit dem Fahrrad sollten Kinder vor dem dritten oder vierten Schuljahr auf keinen Fall zur Schule fahren, da sind sich die Experten einig. Die meisten Grundschüler machten in dem Alter eine Fahrradprüfung. Aber selbst dann sei die morgendliche Radtour noch gefährlicher als der Spaziergang zur Schule. „Auf dem Rad müssen sie ja gleichzeitig die Geschwindigkeit beherrschen, lenken, das Gleichgewicht halten, Schilder beachten und so weiter“, sagt Warwitz. Dabei könne ein Sechsjähriger maximal drei Dinge gleichzeitig machen. Zu Fuß sei es kein Problem, mehrere Dinge nacheinander zu tun: anhalten, nach rechts und links schauen, losgehen.

Die Autofahrt mit Mama sei auch keine richtige Alternative, sagt Laub. Sie verhindere, dass Kinder lernten, sich im Verkehr zurechtzufinden. „Inzwischen sind Kinder es ja kaum noch gewohnt, Wege zu Fuß zurückzulegen. Die steigen ins Auto und schalten den Kopf aus, bis Mama irgendwann sagt: 'Du kannst aussteigen!'“, ergänzt Bergmeier. Nach Ansicht von Warwitz sei eine Tour von ein bis zwei Kilometern zu Fuß locker zumutbar. Bei Strecken, die mehr als 10 oder 15 Minuten in Anspruch nehmen, sei nicht die mangelnde Ausdauer problematisch, sondern die rasch nachlassende Aufmerksamkeit. Irgendwann sind vorbeifliegende Schmetterlinge eben interessanter als die Regeln für den Zebrastreifen.