Deutschland Rallye: Stadtflitzer als Rennautos

Trier/Wolfsburg (dpa/tmn) - Von wegen klein und kraftlos: Bei Veranstaltungen wie demnächst der Deutschland-Rallye zeigen Kleinwagen ihre Qualitäten jenseits von Parkbuchten und Stadtverkehr. Doch die Boliden haben wenig mit den Serienmodellen gemeinsam.

Knuffig, kantig oder kugelrund - diese Attribute treffen auf so manchen Kleinwagen zu. Als brachial und böse dürften sie dagegen selten wahrgenommen werden. Doch wer sich unter die rund 200 000 erwarteten Zuschauern bei der ADAC Deutschland Rallye (18. bis 21. August) rund um Trier mischt, wird die Stadtflitzer mit ganz anderen Augen sehen. Denn in der Rennversion geben Autos wie Citroën DS3 oder Ford Fiesta bei der World Rallye Championship (WRC) den Kraftprotz.

Zwar sehen die Fahrzeuge bei einem flüchtigen Blick tatsächlich aus, als seien sie bunt beklebte und verspoilerte Serienfahrzeuge. Doch Xavier Mestelan, der das Team von Citroën leitet, klärt schnell auf: „Viel mehr als das Markenzeichen und die Scheibenwischer können wir vom Straßenauto kaum gebrauchen. Wie die Autos konstruiert sind, welche Abmessungen, welche Leistung und welches Gewicht sie haben, all das schreibt uns das WRC-Reglement vor.“

Die Karosserie zum Beispiel bestehe weitgehend aus Karbon und der Innenraum berge nur noch den massiven Überrollkäfig, zwei maßgeschneiderte Schalensitze und viele Instrumente. Und der Motor? Der habe mehr Mumm als sich jeder Kleinwagenkunde je träumen lässt. Auf 235 kW/320 PS und 350 Nm taxiert Mestelan das Potenzial des 1,6 Liter großen Turbo-Direkteinspritzers. Wie viel an Leistung genau der Wagen abruft, will er mit Blick auf die Konkurrenz nicht verraten.

Wie schnell so ein Auto fährt, wissen auch die Piloten kaum. Auf Rallyes gibt es selten gerade Abschnitte, auf denen sie das mögliche Top-Tempo ermitteln könnten. Und es existiert kein Tachometer, sie fahren streng nach Drehzahlmesser. „Wichtig ist, dass man schnell beschleunigt und flott um die Kurven kommt“, nennt Vorjahressieger Sébastien Loeb die Prioritäten.

In Trier erwarten Loeb und seine Konkurrenten 19 Wertungsprüfungen. Ein ganzes Jahr lang war der Veranstalter ADAC mit der Organisation des Motorsportspektakels befasst. Dabei ging es nicht nur um 46 000 Meter Zwiebelzaun, 4000 Meter Spannband und fast 8000 Hinweis- und Richtungsschilder, sondern auch um jede Menge Papierkram: „Allein der amtliche Genehmigungsantrag hat 161 Seiten und über 30 gezeichnete Lagekarten“, sagt Rallye-Sprecher Peter Linke. Die Piloten benötigten den Segen von mehr als 70 Bürgermeistern und Ortsvorstehern entlang der Strecke.

An einem Wochenende wie in Trier werden die Menschen in den umgerüsteten Stadtflitzern von vielen zehntausend Fans gefeiert. „Doch übers Jahr hinweg fahren die Rallye-Profis zumindest in Deutschland jenseits der öffentlichen Wahrnehmung“, sagt der Marktforscher Nick Margetts vom Analyse-Instituts Jato Dynamics. Seit Walter Röhrl 1980 und 1982 die Weltmeisterschaft gewonnen hat, gab es keinen deutschen Champion mehr. „Die Chancen für einen Image- oder gar einen Technologietransfer zwischen Schotterpiste und Straße sind gerade bei den Kleinwagen eher gering“, so Margetts. Doch mit der Beteiligung von Mini mit einem umgerüsteten Countryman seit dieser Saison und Volkswagen mit dem für 2013 angekündigten Renn-Polo mit rund 300 PS könnte die Aufmerksamkeit für die Serie zunehmen.

Verdient hätte das die Disziplin nach Lesart der Veranstalter auf jeden Fall. Denn: „Rallyesportler gelten als die Zehnkämpfer des Motorsports. Sie driften selbst auf Schotter, Schnee und Eis sowie gegebenenfalls auch bei Nacht und Nebel“, rühmt der ADAC die „Lenkrad-Akrobaten für alle Jahreszeiten“. Mit einem normalen Führerschein am Steuer eines Boliden der Werksteams um den Citroën DS3, den Skoda Fabia oder den Ford Fiesta kommt man da nicht weit. Wie überall im Motorsport wird eine offizielle Rennlizenz gefordert.

Der derzeit Beste unter den Lenkradakrobaten ist Sébastien Loeb. Der Franzose hat die WRC-Serie bereits siebenmal gewonnen, wird daheim in Frankreich ähnlich verehrt wie bei uns Michael Schumacher oder Sebastian Vettel. In der aktuellen Wertung steht er auf Platz 1. Und er liebt seinen Citroën DS3, „weil man ihn so präzise steuern kann und er genau dorthin fährt, wohin ich möchte - und zwar am liebsten quer“, lacht Loeb. „Mit dem Fahrkomfort ist es hier natürlich nicht weit her.“ Immerhin Fahrkomfort ist gegenüber den Boliden eher die Eigenschaft von Serienautos - Kleinwagen eingeschlossen.