ESP-Pflicht beginnt am 1. November

Stuttgart (dpa/tmn) - Mit querstehendem Wagenheck durch Kurven driften: Was im Film cool aussieht, ist im wahren Leben gefährlich. Das Elektronische Stabilitätsprogramm ESP kann solche Schleudertouren verhindern.

Ab November wird es Pflicht in allen neuen Automodellen.

Am Anfang war ein umgekippter Mercedes: Vor rund 14 Jahren lag die A-Klasse beim sogenannten Elchtest plötzlich auf der Seite. Die misslungene Testfahrt mit dem Kompaktwagen zeigte, wie wichtig es sein kann, die Fahrdynamik von Autos elektronisch zu kontrollieren. Glück im Unglück für Mercedes: Der Stuttgarter Hersteller hatte ein entsprechendes System zwei Jahre zuvor erstmals in eines seiner Autos eingebaut. Seit 1995 gab es das Elektronische Stabilitätsprogramm ESP für die S-Klasse.

Nach der Pleite beim Elchtest beschloss Mercedes kurzerhand, die neue Technik serienmäßig in alle A-Klasse-Fahrzeuge einzubauen. Diese Entscheidung war der Durchbruch für ESP, erklärt Stephan Kraus vom Autozulieferer und Schleuderschutz-Entwickler Bosch: „Technische Neuerungen in Autos werden normalerweise zuerst in der Oberklasse eingeführt und erreichen erst später den Massenmarkt.“ So war es zunächst auch beim ESP. Nach der S-Klasse bekamen der 7er BMW und der Audi A8 ein entsprechendes System. Doch nach der Einführung in der A-Klasse begann Mercedes damit, ESP für seine gesamte Modellpalette anzubieten - und zwang die Mitbewerber so zum Mitziehen.

Heute hat von der Kompaktklasse aufwärts nahezu jedes Auto in Deutschland serienmäßig ESP an Bord, sagt Kraus. „Bei Modellen aus Frankreich oder Italien sieht das aber schon anders aus.“ Und auch bei Klein- und Kleinstwagen aus Deutschland gibt es den Schleuderschutz oft nur gegen Aufpreis. 2009 waren nach Angaben von Bosch 60 Prozent aller Neuzulassungen in Europa mit dem Stabilitätsprogramm bestückt. In Zukunft sollen es deutlich mehr werden: Ab dem 1. November muss nach einem EU-Beschluss jedes neue Automodell serienmäßig mit ESP ausgestattet sein. Drei Jahre später, ab dem 1. November 2014, muss die Technik dann in allen in der EU angebotenen Neuwagen stecken.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) begrüßt die Regelung ausdrücklich, weil sie einen wichtigen Beitrag zur Verkehrssicherheit leiste. Ähnlich sieht das auch Bosch-Sprecher Kraus: „Wir wissen aus verschiedenen Studien, dass die Zahl der Schleuderunfälle seit der Einführung von ESP deutlich zurückgegangen ist.“

Andere Länder wie die USA haben Regelungen zur ESP-Pflicht bereits eingeführt. „ESP ist mittlerweile eine weltweit verbreitete Technik“, sagt Kraus. Bei manchen Automarken läuft ESP allerdings unter anderem Namen: BMW, Mazda und Jaguar sprechen zum Beispiel von Dynamic Stability Control (DSC), Toyota hat die Vehicle Stability Control (VSC) und Volvo die Dynamic Stability and Traction Control (DSTC). Die grundlegende Technik ist aber immer gleich.

Wichtigster Bestandteil des Schleuderschutzes ist ein sogenannter Drehratensensor, erklärt Thomas Caasmann von der Gesellschaft für Technische Überwachung (GTÜ). Der Sensor registriert zusammen mit einem zweiten Gerät am Lenkrad, ob sich das Auto in eine andere Richtung bewegt als vom Fahrer gewünscht. Ist das der Fall, steuert der Schleuderschutz durch das gezielte Abbremsen einzelner Räder gegen.

Wie sensibel das System reagiert, ist Einstellungssache. „Das unterscheidet sich von Hersteller zu Hersteller“, sagt Caasmann. „Bei Mercedes-Fahrzeugen reagiert ESP zum Beispiel meistens schon sehr früh.“ Bei Porsche und anderen Sportwagenbauern greife das System dagegen viel später ein. „Das ist von den Käufern solcher Autos so gewollt - ein sportliches Auto soll ja ruhig auch mal ein bisschen driften.“ In anderen Fahrzeugen lässt sich das Stabilitätsprogramm über Fahrdynamikregler oder ähnliche Systeme individuell ein- oder sogar ganz abstellen.

Ein Freibrief zum Rasen ist ESP auf keinen Fall: Bei zu rabiater Fahrweise stößt auch ein gut abstimmtes System an seine Grenzen, warnt Caasmann: „Wenn das Fahrzeug erst einmal die Bodenhaftung verloren hat, helfen auch Bremsversuche nichts mehr.“

Heute steckt ESP meistens zusammen mit zwei anderen Sicherheitsassistenten im Auto: dem Anti-Blockier-System ABS und der Antriebsschlupfregelung ASR, die das Durchdrehen der Räder verhindern soll. Für Cyrus Kerfekhah von der Firma Continental, die seit 1997 eigene Schleuderschutz-Systeme baut, gehört zu einem modernen ESP-System sogar noch mehr: „Wir kombinieren die Grundlagen der Technik zum Beispiel mit Abstandhaltern oder Spurassistenten.“ Ziel sei es, die Zusammenarbeit verschiedener Sicherheitssysteme immer weiter zu verbessern - dadurch werde die komplexe Technik nicht nur leichter, sondern auf Dauer auch effizienter.