Fliegen und Radeln in einer Tour - Intermodales Reisen

Berlin (dpa/tmn) - Eine intelligente, vernetzte Reiseplanung per Smartphone soll künftig dafür sorgen, dass wir stressfrei ans Ziel kommen. Beim sogenannten intermodalen Reisen wählt ein virtueller Verkehrsplaner den optimalen Weg aus verschiedenen Mobilitätsangeboten aus.

Neun Uhr morgens, irgendwo in Berlin: Ein Reisender aktiviert eine App auf seinem Smartphone und gibt das Ziel ein, zum Beispiel das Congress Center in Hamburg. Kurz darauf erhält er verschiedene Reisemöglichkeiten, die Wege mit Bus, Bahn, Flugzeug, Carsharing und Leihfahrrad verknüpfen. Das Smartphone dirigiert den Nutzer zu den Haltestellen und übernimmt auch den Fahrscheinkauf. Die Reiseplanung ist dynamisch und kann sich unterwegs ändern, wenn etwa ein Zug Verspätung hat. „In zwei bis drei Jahren wird das Realität sein“, glaubt Andreas Knie vom Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) in Berlin.

Man spricht dabei vom intermodalen Reisen. „Im Grunde machen wir das alle schon ein bisschen, etwa wenn wir Fußweg und Autofahrt verbinden“, sagt Knie. Intermodal bedeute, dass nicht nur auf ein Verkehrsmittel gesetzt werde. „Die große Herausforderung, an der seit 20 Jahren gearbeitet wird, ist ein intermodaler Router. Ein übergeordnetes System, das alle Angebote intelligent verknüpft. Das wird in Zukunft eine App sein“, ist der Mobilitätsforscher überzeugt.

Reduzierte Angebote dieser Art gibt es bereits auf regionaler Ebene, wo öffentlicher Verkehr wie Bus und Bahn mit dem Individualverkehr verbunden werden - zum Beispiel die Plattform bayerninfo.de. Sie bietet eine Tür-zu-Tür-Reiseplanung mit Echtzeitdaten der Verkehrsüberwachung. „Dabei werden aktuelle Staus berücksichtigt. In Kürze fließen auch Echtzeitdaten von Bussen und Bahnen in die Berechnung ein“, erläutert Uwe Strubbe von Siemens. Er sieht im Vernetzen der Daten aus verschiedensten Quellen die größte Herausforderung für ein deutschlandweites System. „Denn allein bei den Straßenkarten gibt es große Unterschiede“, sagt Strubbe.

Ein ähnliches Projekt mit einer kostenlosen App werden die Dresdener Verkehrsbetriebe mit Unterstützung des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI) im Sommer starten. „Das Smartphone begleitet Sie dann von Tür zu Tür und registriert auch, wenn Sie unterwegs aus der S-Bahn aussteigen“, erläutert IVI-Projektleiter Ulf Jung. Unterstützt durch Echtzeitdaten der Verkehrsbetriebe errechnet „Smart-Way“ ständig die bestmögliche Route und passt Abfahrt- oder Umsteigezeiten an. Eine Übersichtskarte auf dem Smartphone dirigiert den Nutzer durch die Straßen. Der Individualverkehr wird allerdings noch nicht berücksichtigt.

Ein Knackpunkt bei allen Angeboten ist der Ticketkauf. „Eine Fahrkarte für verschiedene Verkehrsmittel und Tarife ist momentan das große Thema“, sagt Knie. „Das Problem ist: Wie soll das Ticket kontrolliert werden?“, merkt Michael Frankenberg von der Softwarefirma Hacon an, die Fahrplanauskunftsysteme für Bahnunternehmen erstellt. Eine mögliche Lösung sei der internationale Übertragungsstandard NFC zum kontaktlosen Austausch von Daten.

Die Deutsche Bahn nutzt NFC zum Beispiel für ihr Bezahlsystem „Touch&Travel“. Dabei registriert sich der Fahrgast vor dem Einsteigen und nach dem Aussteigen an einem Funk-Terminal am Gleis, anschließend wird die gefahrene Strecke elektronisch abgerechnet. Jung sieht beim Thema Ticketing vor allem die Politik in der Pflicht: „Hier muss es eine Ansage für einen gemeinsamen Nenner geben. Denn kein Verkehrsanbieter wird in eine Technik investieren, die nicht halbwegs zukunftssicher ist.“

Auch Leihfahrräder und Carsharing-Autos ohne feste Standplätze, die inzwischen in vielen Städten verfügbar sind, sind für das intermodale Reisen interessant. Die Fahrzeugsuche erfolgt derzeit über Apps der Anbieter, abgerechnet wird nach Kilometern.

Das allgemeine Interesse, Verkehrsmittel sinnvoll zu kombinieren, um ans Ziel zu kommen, nimmt laut Siemens-Mitarbeiter Strubbe zu. Als großen Antreiber für die Intermodalität sieht er die Autoindustrie. „Deshalb müssen die Hersteller ihren Kunden einen Service über das Auto hinaus anbieten, etwa durch eine Fahrplanauskunft im Navi für den Nahverkehr.“ Knie setzt dagegen mehr auf die Mobilfunkanbieter, denn die rasant wachsende Zahl von Smartphones werde auch zu einer steigenden Nachfrage nach Anwendungen führen. Besonders bei Männern sei das Interesse an elektronischen Fahrplansystemen groß: „70 bis 80 Prozent der Nutzer sind Männer, vielfach Geschäftsleute.“

Die technischen Voraussetzungen für intermodales Reisen sind vorhanden, die große Herausforderung besteht nun in der Vernetzung der Systeme. Das fängt bei unterschiedlichen Datenformaten an und hört bei fehlenden Verträgen zwischen Verkehrsunternehmen auf. Doch schon in wenigen Jahren könnte das Smartphone als intermodaler Router Normalität sein und vom Flugzeug bis zum Leihrad alle Verkehrsmittel berücksichtigen, schätzen Experten. Dann dürfen Nutzer nur nicht vergessen, im System voreinzustellen, ob sie einen Führerschein besitzen und Fahrrad fahren können.