Gemeinsam im Tritt: Worauf es bei Tandems ankommt
Göppingen (dpa/tmn) - Sie sind lang, sehen etwas sperrig aus und ziehen meist alle Blicke auf sich: Tandems sind auf Deutschlands Straßen eine Rarität. Ihre Verkaufszahlen sind so gering, dass sie gar nicht erfasst werden.
In der Absatzliste des Zweirad-Industrie-Verbandes (ZIV) werden Tandems in der Rubrik „Sonstige“ geführt. Diese machen insgesamt nur ein Prozent aller verkauften Velos in Deutschland aus.
Trotz der geringen Nachfrage wäre es kurz gegriffen, Tandems nur als exotischen Gag zu bezeichnen. Die langen Velos sind in vielerlei Hinsicht eine interessante Alternative zu konventionellen Fahrrädern. Gerade für Familien und Paare bieten sich Tandems an. Bei einer Radtour fährt keiner dem anderen davon. Und für blinde Menschen sind Tandems die einzige Möglichkeit, draußen auf der Straße mit dem Rad zu fahren, wenn der Vordermann den Weg weist.
Tandem-Räder sind in ihrer Wendigkeit allerdings eingeschränkt. Außerdem sind sie keine Schnäppchen. „Ein Tandem kostet zwei- bis dreimal so viel wie ein ähnlich ausgerüstetes normales Rad“, sagt David Koßmann vom Pressedienst Fahrrad (pd-f). Marktführer im Hochpreis-Segment sei die kalifornische Firma Santana. „In Frankreich gibt es mit Lapierre einen größeren Hersteller.“ Auch die US-Firmen KHS und Cannondale haben einige Modelle im Angebot, so Koßmann.
Insgesamt ist der Tandem-Markt für größere Fahrradhersteller schwierig: „Einige haben es probiert, sich aber zum Teil wieder aus dem Tandem-Geschäft zurückgezogen“, erklärt Siegfried Neuberger, Geschäftsführer des Zweirad-Industrie-Verbandes. In Deutschland stellen nur wenige Anbieter Tandems her. Serienräder gibt es etwa von Stevens und Schauff, Individualanfertigungen von kleineren Unternehmen wie Nicolai oder Velotraum.
Auch die Firma Poison Bikes aus Nickenich bei Koblenz baut individuelle Tandems. Deren Absatz macht etwa zehn Prozent des gesamten Umsatzes des Unternehmens aus, schätzt Geschäftsführer Hans Werner Theisen. Vor allem Reise- und Handicap-Tandems sind bei Poison nachgefragt. Die Radläden, die Tandems verkaufen, haben meist Vorführmodelle zum Ausleihen parat. Theisen hat in seinem Geschäft drei bis vier der langen Velos stehen. „Wer sich für den Kauf interessiert, sollte erstmal eine Probetour für ein, zwei Tage machen.“ Bei einem Preis von mehreren Tausend Euro muss das Produkt zu seinen Fahrern passen.
Einfach mal aus dem Sattel steigen, ist beim Tandem schwierig. „Die Fahrer sind mehr oder weniger auf eine Sitzposition festgenagelt, weil sich jede Bewegung auf die Stabilität auswirkt“, erklärt Koßmann. Werner Theisen sieht es ähnlich: Beim Tandem-Fahren sei das Treten statisch. „Das ist längst nicht so dynamisch wie auf einem konventionellen Rad.“ Deshalb muss beim Kauf die Ergonomie stimmen. „Die Einstellung der Sitzposition ist enorm wichtig“, betont der Fachmann. Entscheiden sich Radfahrer für den Kauf eines Tandems, werden die Leihkosten im Anschluss meist mit dem Kaufpreis verrechnet.
Für Gelegenheitsnutzer ist die Ausleihe die bessere Alternative. In vielen Städten bieten Rad-Händler oder Fahrrad-Mietstationen Tandems an. Die Räder kosten je nach Modell und Ausstattung ab 20 Euro pro Tag. Unabhängig von Kauf oder Miete, sollten die Naben und Radlager an einem Tandem von bester Qualität sein. Die Räder sind nämlich einer deutlich höheren Belastung ausgesetzt. „Deshalb sind besser auch verstärkte Felgen und breitere Reifen verbaut“, erklärt Theisen.
Auch der Rahmen muss stabil sein, Scheibenbremsen sind von Vorteil. Den Fahrkomfort erheblich steigern kann außerdem ein kleines Detail: eine Federung unter dem Sattel des Sozius. Auf dem hinteren Platz sieht man Bodenwellen und Schlaglöcher nicht kommen. Das kann ohne Federung auf Dauer sehr schmerzhaft werden.