Im Labor und in der Praxis - So werden Kindersitze getestet

Berlin (dpa/tmn) - Bestanden oder durchgefallen - an den Ergebnissen von Produkttests orientieren sich viele Verbraucher. Bei Kindersitzen ist vor allem der gemeinsame Test von ADAC, Stiftung Warentest und anderen maßgebend.

Doch wie kommen die Ergebnisse zustande?

Die Lehne wirkt stabil. Doch ob ein Autokindersitz etwas taugt, sieht man ihm meist nicht gleich an. Viele Eltern orientieren sich daher an Produkttests. Das sei der richtige Weg, wenn seriöse Organisationen mit nachvollziehbaren Testverfahren dahinter stünden, sagt Georg Tryba von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Ein bekannter Test ist der gemeinsame von ADAC, Stiftung Warentest und weiteren Organisationen - vor kurzem gab es neue Ergebnisse. Aber wie kommen sie zustande?

Der ADAC testet seit 2000 mindestens einmal im Jahr um die 30 Kindersitze aller Klassen, 2002 stieg die Stiftung Warentest ein. Der ÖAMTC in Österreich und der Touring Club Schweiz (TCS) sind auch mit von der Partie. „Wir prüfen immer die jeweils neuesten und besonders beliebte Modelle auf dem Markt“, erklärt Henry Görlitz, Projektleiter der Stiftung Warentest. Die Tester kaufen die Sitze anonym in mehreren Geschäften parallel ein. Hersteller können also nicht mogeln und ihnen Sitze unterjubeln, die nicht dem Serienmodell entsprechen.

Die Tests gliedern sich in mehrere Kategorien. „Wichtigste Säulen sind die Crashsicherheit auf der einen Seite und die Handhabung und Ergonomie auf der anderen“, erklärt Andreas Ratzek, Projektleiter für Fahrzeugsicherheit beim ADAC. Im ADAC Technik Zentrum in Landsberg werden die beiden häufigsten Unfallsituationen simuliert: der Frontalcrash und der Seitenaufprall. „Pro Sitzmodell gibt es mehrere Durchläufe, zum Beispiel mit unterschiedlich großen Dummys, mit allen Befestigungsmöglichkeiten und auf mehreren Plätzen“, erzählt Ratzek.

Beim Frontal-Crashtest kracht es mit Tempo 64, beim Seitenaufprall mit 50 km/h. Das ist der Standard der europäischen Prüforganisation Euro NCAP. Nach jedem Crash begutachten Experten, ob Sitz, Halterungen und Gurte der Wucht des Aufpralls standgehalten haben. „Sensoren in den Dummys liefern Daten, die auf mögliche Verletzungen schließen lassen. Wir werten außerdem Hochgeschwindigkeitsaufnahmen aus, auf denen man zum Beispiel sehen kann, ob der Kopf des Dummys gegen die Rückseite des Beifahrersitzes geschlagen ist - das wäre schlecht“, sagt Ratzek.

Danach wird getestet, wie leicht sich die Sitze handhaben lassen. „Wir lassen Laien die Sitze nur mit Hilfe der Gebrauchsanweisung in einen zweitürigen Kleinwagen, einen kompakten Viertürer und einen Van einbauen und ihre Kinder darin anschnallen“, erklärt Görlitz. Experten beobachten, ob dabei Probleme auftreten oder Fehler gemacht werden. „Machen die Testpersonen gravierende Bedienfehler bei der Sitzmontage oder beim Anschnallen des Kindes, bedeutet das für das Produkt: mangelhaft.“

Die Profitester machen sich aber immer noch ein eigenes Bild von der Handhabung und Verarbeitung jedes Sitzmodells. Fallen ihnen dabei besonders gefährliche Mängel auf, treten sie auch mal sofort an die Hersteller heran und bringen eine Rückrufaktion in Gang. „Das ist bisher zweimal vorgekommen“, erinnert sich Ratzek.

Seit 2011 lassen ADAC, Stiftung Warentest und Co. auch die Schadstoffbelastung untersuchen. „Das übernimmt ein unabhängiges Labor“, erklärt Görlitz. Die Chemiker suchen zum Beispiel nach Schadstoffen, die krebserregend sind oder das Erbgut schädigen können. Dazu zählen laut Görlitz Flammschutzmittel, Weichmacher und aromatische Kohlenwasserstoffe. Werden solche Stoffe in bedenklicher Menge festgestellt, fällt ein Sitz im Test ebenfalls durch. Das ist laut Görlitz inzwischen aber die Ausnahme.

Beim aktuellen Test gab es keine Gift-Patzer. Und im Ergebnis schnitt gut die Hälfte der 27 geprüften Modelle mit erfreulichen Noten ab: 12 bekamen ein „Gut“, 2 sogar ein „Sehr gut“. Von den übrigen sind 9 „befriedigend“. Für 4 gab es nur ein „Ausreichend“, darunter eine Babyschale, deren Gurt zu lang ist, um Neugeborene fest genug anschnallen zu können. Die getesteten Sitze kosten zwischen 99 und 448 Euro, wobei ein hoher Preis kein Garant für Qualität ist.

An den Testergebnissen könnten Eltern sich zwar orientieren - sie sollten aber nie blind nach Testsiegern greifen, warnt Ratzek. „Die mögen zwar die Bestnote haben, passen aber womöglich gar nicht ins jeweilige Auto.“ Sein Tipp: Mit dem Wagen beim Fachhändler vorfahren, mehrere Modelle ausprobieren und das Kind Probe sitzen lassen. „Nur so finden Eltern heraus, welcher Kindersitz der richtige ist.“