Laufen oder laufen lassen Zusatzfahrzeuge sollen Autofahrern helfen
Köln (dpa/tmn) - Unsportlich ist Kilian Vas zwar nicht, und wer ihn faul nennt, der würde ihn beleidigen. Doch den Weg vom Parkhaus in die Innenstadt will der Ford-Ingenieur nicht laufen. Deshalb hat er im Rahmen eines Forschungsprojektes die Transporthilfe Carr-E entwickelt.
Nicht viel größer als eine Sahnetorte, elektrisch angetrieben und mit Gewichtsverlagerung oder einem Peilsender gesteuert, kann man darauf wahlweise selbst durch die Stadt surren oder sich seine Einkäufe hinterher fahren lassen, erklärt Vas, während ihm Carr-E mit seiner Aktentasche folgt wie ein Roboterhund an einer virtuellen Leine.
Der rollende Roboter aus der Reserveradmulde mag zunächst wie ein Gimmick für die Überflussgesellschaft wirken. Doch Vas sieht darin einen tieferen Sinn. „Die Städte werden immer größer und immer voller, und es wird immer schwerer, sein Ziel mit dem Auto zu erreichen“, sagt er. „Erst recht, wenn die Behörden wie in immer mehr Städten die Zufahrt beschränken oder irgendwann ganz verbieten.“ Dann brauche es alternative Technologien, um ältere, schwächere - und ja, auch faule Menschen - und natürlich Waren ans Ziel zu bringen. Mit dieser Ansicht ist der Ingenieur, der jetzt auf eine Serienfreigabe hofft, nicht alleine. Diese sogenannte letzte Meile ist für fast alle Autohersteller ein Thema. Es wurde deshalb in den letzten Monaten kaum eine Designstudie gezeigt, bei der nicht ein Mono-Wheeler, ein Segway oder ein elektrisches Kickboard im Kofferraum verborgen waren.
Waren das anfangs noch Spielereien, machen die ersten Hersteller jetzt ernst: Peugeot bietet gemeinsam mit dem Schweizer Spezialisten Micro in den SUVs 3008 und 5008 einen Akku-Scooter an. Der e-Kick wird im Kofferraum gelagert, während der Fahrt geladen und schafft sogar deutlich mehr als nur die letzte Meile, sagt Pressesprecher Ulrich Bethscheider-Kieser. Die Reichweite des 8,5 Kilo schweren Rollers liegt bei zwölf Kilometern und die Spitze bei 25 km/h. Der Roller kostet laut Peugeot über 1000 Euro und wird deshalb in Deutschland vorerst nicht angeboten. Stattdessen liebäugelt man mit einem bereits vorgestellten elektrischen Klapprad. „Allerdings haben wir dafür noch keinen Einführungstermin und keinen Preis“, sagt der Peugeot-Mann.
Hyundai hat als „Beiboot“ zu seinem elektrischen Kompaktwagen Ioniq einen E-Scooter gezeigt, der nach Informationen aus Unternehmenskreisen gute Chancen auf eine Serienfertigung hat. Er lässt sich laut Hyundai so klein zusammenfalten, dass man ihn in einem Staufach in der Tür laden kann. Und wer zwischendurch in Bahn oder Bus wechselt, trägt ihn wie eine Aktentasche am Riemen über der Schulter. Noch etwas futuristischer ist der Unicab, den Honda seit Jahren verfeinert und in Pilotprojekten testet: Eine Art elektrischer Hocker, mit dem man nicht nur durch Fußgängerzonen, sondern auch ohne Anstrengung durch Messehallen oder über Flughafenflure kommen soll.
Mehr noch als die Pkw- beschäftigt sich Transporter-Branche mit der letzten Meile. Denn je mehr online bestellt wird, desto mehr Päckchen müssen geliefert werden. Und die Warenströme im Versandhandel werden in den nächstdem Jahren dramatisch ansteigen, sagt Daimler-Stratege Stefan Maurer. Der E-Commerce boomt, schon heute werden jeden Tag sieben Millionen Päckchen ausgeliefert, die Post meldet pro Jahr einen Anstieg des Paketvolumens von fünf bis sieben Prozent, und bis zum Jahr 2018 rechnet Maurer mit einer Verdopplung des Umsatzes im Versandhandel. „Damit die Städte nicht in der Flut der Päckchen ertrinken und in den Abgasen der Transporter ersticken, brauchen wir deshalb neue Lieferwagen und neue Logistik-Konzepte“, sagt Kfz-Experte Klaus Schmitz von der Strategieberatung Arthur D. Little.
Während Smart oder Volvo ihre Autos so programmieren, dass sie zur Packstation werden und der Kurierfahrer seine Lieferung darin ablegen kann, geht Mercedes einen anderen Weg: Im Vision Van ist nicht nur ein automatisches Regelsystem eingebaut, das die Beladung beschleunigt und Verwechslungen vermeidet. Sondern im Zielgebiet angekommen, lässt der Sprinter von übermorgen Drohnen und autonome Roboter ausschwärmen, um die Pakete zu verteilen. Und das ist keine ferne Utopie, sagt Pressesprecherin Katja Bott. Noch in diesem Jahr will Mercedes die ersten Pilotprojekte mit den Paketrobotern starten. Dann sind die Zeiten, in denen der Postmann zweimal klingeln muss, womöglich bald vorbei. Und Männer wie Kilian Vas müssen weder vom Parkhaus in die Stadt laufen noch ihre schweren Einkäufe selbst nach Hause schleppen.