Alibabas Börsengang: Umschwung im globalen Online-Handel
New York (dpa) - Es dürfte der größte Börsengang werden, den es je gab. Und es geht um ein Internet-Unternehmen - aber es kommt nicht aus den USA. Den Rekord hat die chinesische Online-Handelsplattform Alibaba im Visier.
Das Volumen soll unterm Strich bei sagenhaften 25 Milliarden Dollar liegen - vorausgesetzt, das Interesse an dem neuen Papier ist groß genug, womit allenthalben gerechnet wird. Alibaba startet mit einem Gesamtwert von rund 170 Milliarden Dollar gleich in einer Liga mit dem weltweit größten Online-Händler Amazon.
Die Chinesen sind Vorreiter einer großen Kräfteverschiebung im weltweiten Online-Handel. In Schwellen- und Entwicklungsländern entdecken Milliarden neuer Nutzer - und damit auch Käufer - das Internet. Alibaba, der indische Online-Händler Flipcart oder die Berliner Startup-Schmiede Rocket Internet, die bald auch an die Börse geht, machen in diesen Regionen verstärkt US-Schwergewichten wie Amazon und Ebay Konkurrenz.
Bei Alibaba ist es schon die schiere Größe des chinesischen Marktes, die den Börsenneuling zu einem Riesen macht - und die Fantasie der Investoren entfesselt. Rund 279 Millionen Käufer in seinen Online-Handelsplätzen führte Alibaba zuletzt in dem Börsenprospekt auf. Das ist an sich schon gewaltig. Das noch unerschlossene Potenzial lässt diese Zahl aber klein aussehen. Von den 1,35 Milliarden Chinesen ist erst weniger als die Hälfte im Internet und erst gut 300 Millionen kaufen online ein.
Alibaba hat in dem für westliche Internet-Firmen traditionell abgeschotteten Markt zudem mit Plattformen wie Taobao, Tmall oder Juhuasuan Angebote für alle: Unternehmen, die untereinander Geschäfte machen, Verbraucher, bekannte Marken.
Die Nachfrage nach den zunächst 320 Millionen Alibaba-Aktien war so hoch, dass Unternehmen und Banken zwischendurch die Preisspanne anheben konnten. Nach Einschätzung einiger Marktexperten hätte die Firma beim Ausgabepreis auch über die 68 Dollar gehen können, auf denen der Zeiger am Ende stehen blieb. So sehen die Analysten der Finanzfirma Morningstar das Preisziel eher bei 90 Dollar. „Ich bin überrascht, dass sie nicht höher gegangen sind“, sagte ein Analyst der Investmentfirma Loomis Sayles der „Financial Times“.
Mit der „konservativen“ Preissetzung könnten die Alibaba-Banker aber auch bewusst Raum für eine positive Kursentwicklung am ersten Handelstag gelassen haben. Schließlich will keiner den Fehler von Facebook wiederholen: Die Banken vermuteten eine gewaltige Nachfrage, das Online-Netzwerk schraubte den Ausgabepreis immer höher - aber am Markt geriet die Aktie sofort unter Druck. Ein Unsicherheitsfaktor für den Kurs ist zudem ein Aktienpaket im Wert von acht Milliarden Dollar, von dem sich Alteigentümer im Gegensatz zu Sperrfristen bei anderen Börsengängen sofort trennen können.
Zugleich wurde mit dem Börsengang auch unübersehbar, dass Alibaba kein Unternehmen wie seine Rivalen aus dem Westen ist. Mit dem Wertpapierprospekt wurde zwar offengelegt, wie die Strukturen im Hintergrund gestrickt sind - das ungewöhnliche Machtgefüge blieb aber unangetastet. So hat bei Alibaba nach wie vor ein Gremium aus 30 „Partnern“ das Sagen, das von Verbündeten des Gründers Jack Ma beherrscht wird. Die Geschäfte laufen über ein schwer überschaubares Netz aus einzelnen Firmen. Der Börse in Hongkong war vor allem die Machtverteilung ein Dorn im Auge, Alibaba ging deswegen nach New York.
Jack Ma selbst wird beim Börsengang mit dem Verkauf eines Anteils von 0,5 Prozent an Alibaba um 867 Millionen Dollar reicher. Er bleibt danach noch größter Einzelaktionär mit 7,8 Prozent der Anteils in einem Gesamtwert von rund 13 Milliarden Dollar allein schon zum Ausgabepreis. Gegründet hatte der einstige Lehrer Ma Alibaba vor 15 Jahren mit einem mühsam zusammengekratzten Startkapital von wenigen zehntausend Dollar in einer Einzimmerwohnung im chinesischen Hangzhou.