Analyse: Kim Dotcom - schillernder Internet-Unternehmer
New York/Wellington (dpa) - Der Mann, der sich heute Kim Dotcom nennt und als mutmaßlicher Kopf eines Raubkopien-Imperiums in Neuseeland festsitzt, war einst ein Medienstar in Deutschland.
Unter dem Namen Kim Schmitz zählte er in der Euphorie um den Neuen Markt vor mehr als zehn Jahren zu den schillernden Figuren der jungen Internet-Wirtschaft. Wie in vielen anderen Fällen in dieser Zeit hinterließen Schmitz' Unternehmungen einige unglückliche Investoren.
Der schwergewichtige Unternehmer, der mit Partys und Straßenrennen durch Fernseh-Dokus tingelte, geriet in Konflikt mit dem Gesetz und zog schließlich ein neues Projekt in Hongkong und Neuseeland hoch. Das Flaggschiff war die Datentausch-Plattform Megaupload, die jetzt von der US-Bundespolizei FBI unter dem Vorwurf massiver Urheberrechtsverletzungen ausgehoben wurde.
Glaubt man den Betreibern, machte die Datenplattform ihrem Namen alle Ehre. 180 Millionen registrierte Nutzer, zeitweise vier Prozent des gesamten Datenverkehrs im Internet, mehr als 50 Millionen Zugriffe pro Tag und insgesamt über eine Milliarde Besucher. Diese Zahlen, mit denen die Megaupload-Macher selbst prahlten, kamen den US-Ermittlern sehr gelegen und zieren jetzt die Anklage.
Der heute 37-jährige Kim Dotcom - auch bekannt als „Kimble“ oder „Kim Tim Jim Vestor“ - soll den US-Ermittlern zufolge allein im Jahr 2010 mehr als 42 Millionen Dollar kassiert haben. Das Geld legte er mit Gusto an. Nach der Festnahme gab es im Internet Bilder vom Abtransport seines Fuhrparks: Lauter schwarze Mercedes-Wagen mit Nummernschildern wie „MAFIA“, „POLICE“, „HACKER“ oder „KIM COM“. Hinter der Datentausch-Plattform steckte eine ganze „Mega-Welt“ mit Diensten von Megamovies bis Megaporn.
Laut Anklage sollen Dotcom und Co. - die meisten Schlüsselfiguren waren Deutsche - Raubkopierer ermutigt und bezahlt haben. Wurde etwa ein Film bei Megaupload hochgeladen, erstellte das System einen Link, der weiterverbreitet werden konnte. Rechteinhaber konnten zwar die Löschung ihrer Inhalte fordern. Mit dem undurchsichtigen Link-System hätten sie aber kaum Chancen gehabt, argumentieren zumindest die US-Ermittler. „Wir sind keine Piraten, wir bieten nur Transportdienste an Piraten an“, wird eine abgefangene E-Mail eines der Betreiber in der Anklage zitiert.
Für 260 Dollar konnten sich Nutzer ein lebenslanges Abo kaufen, mit dem alle Inhalte in voller Länge und hoher Geschwindigkeit abgerufen werden konnten - nach den jüngsten Ereignissen eine schlechte Investition. Allein damit kamen der Anklage zufolge 150 Millionen Dollar zusammen. Mit Online-Werbung seien weitere 25 Millionen verdient worden.
Es ist nicht so, dass der Internet-Abenteurer mit ramponiertem Ruf in Neuseeland von Anfang an willkommen war. Das Anwesen in Coatesville, 300 Kilometer nordwestlich von Auckland - mit 25 Millionen Dollar eines der teuersten im Land - wollte er ursprünglich kaufen. Doch Politiker schlugen dazwischen, am Ende musste Kim Dotcom es mieten. Eine Niederlassungs-Erlaubnis erhielt er aber immerhin - dem Vernehmen nach kaufte er zuvor Staatsanleihen für zehn Millionen Dollar und spendete für Opfer des schweren Erdbebens in Christchurch. Er soll zurückgezogen unter dem Schutz von Bodyguards gelebt haben - aber gerne auch mal Riesensummen für ein Silvesterfeuerwerk ausgegeben haben.
Zuletzt kam der 37-jährige im vergangenen Monat wieder in die Schlagzeilen. Ein Werbe-Video, in dem Prominente wie die Sänger Alicia Keys und Kanye West, der Schauspieler Jamie Foxx und Society-Sternchen Kim Kardashian gute Worte für Megaupload übrig hatten, wurde vom Musik-Konzern Universal Music aus dem Netz gekegelt. Kim Dotcom sang in dem Video selbst mit.
In der Internet-Szene hat Dotcom einen schlechten Ruf. Kim Schmitz sei es immer nur ums Geld gegangen, kritisierte der Netzaktivist Stephan Urbach von der internationalen Vereinigung Telecomix. Auch habe er andere aus der Szene, die in gutem Glauben gehandelt hätten, ans Messer geliefert. „Wer Kim Schmitz als Helden feiert, kennt die Geschichte nicht“, sagte Urbach im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.