Apple iCloud soll Multimedia-Station im Netz werden
San Francisco (dpa/tmn) - Apple-Kunden können künftig Musikstücke, Fotos, Dokumente und Anwendungen in der Internet-Wolke speichern. Der kostenlose Onlinedienst iCloud stellte auf dem Entwicklerkongress WWDC die Updates für die Betriebssysteme Mac OS X und iOS in den Schatten.
Der Personal Computer hat in den Augen von Apple-Chef Steve Jobs als zentrale Verteilstation für digitale Inhalte ausgedient. Musik, Filme und Fotos, aber auch andere Dateien und Anwendungen, sollen künftig nicht mehr vom Desktop-Rechner auf mobile Geräte wie Smartphones und Tablet-Computer wandern, sondern vom neuen Online-Speicher- und Synchronisierungsdienst iCloud, den Jobs auf der Apple-Entwicklerkonferenz WWDC in San Francisco vorgestellt hat.
iCloud löst den alten Apple-Dienst MobileMe ab, der bislang die Synchronisierungs-Funktionen für E-Mail, Kalendereinträge und Kontakte sowie Online-Speicher und eine Online-Fotogalerie bot. „Es ist aktuell wirklich mühsam und sehr frustrierend, alle Informationen und Inhalte geräteübergreifend auf dem aktuellen Stand zu halten“, sagte Jobs zur Eröffnung des WWDC. „Wir haben eine großartige Lösung für dieses Problem. Wir reduzieren den Personal Computer auf die Rolle, nur noch ein Gerät unter anderen zu sein.“ Die eigentliche Verteilstation für digitale Inhalte werde in die Internet-Wolke verlagert. Im Gegensatz zu MobileMe ist der neue Dienst kostenlos. Apple verzichtet auch auf Werbeeinblendungen.
Dabei sollen über die Internet-Wolke nicht nur kleine Info-Häppchen wie eine veränderte Kontaktadresse oder eine neue E-Mail abgeglichen werden, sondern auch die komplette Musiksammlung des Anwenders. Die bei Apple in iTunes gekauften Songs werden kostenlos auf alle Mobilgeräte verteilt. Will man auch alle selbst von CDs kopierten oder bei anderen Online-Quellen gekauften Musikstücke abgleichen, werden in den USA für die iTunes Match genannte Funktion 25 Dollar (rund 17 Euro) im Jahr fällig. Im Gegensatz zu den Online-Speichern bei Amazon oder Google müssen die Musikstücke dafür in der Regel nicht hochgeladen werden, sondern werden aus dem iTunes-Katalog als kopierschutzfreie AAC-Musikdatei (256 kbit/s Bitrate) zum Abgleich bereitgestellt.
In Deutschland müssen sich die Apple-Kunden allerdings noch gedulden, da Apple die lizenzrechtlichen Verhandlungen mit der Musikindustrie für iTunes Match zunächst nur in den USA geführt hat. „Apple ist in dieser Sache bislang nicht auf uns zugekommen“, sagte eine Sprecherin der Verwertungsgesellschaft Gema.
Bei seinem Mobil-Betriebssystem, das auf dem iPhone, dem iPad und dem iPod Touch eingesetzt wird, stellte Apple auf der WWDC die neue Version iOS 5 vor, die auch massiv auf die „Wolke“ setzt. So können künftig Dokumente von Anwendungen wie der Textverarbeitung Pages, der Präsentationssoftware Keynote oder der Tabellenkalkulation Numbers im Netz gespeichert werden.
Etliche andere Neuerungen von iOS 5 kommen Beobachtern allerdings bekannt vor. So erinnert das neue Notification Center, in dem Mitteilungen wie Hinweise auf verpasste Anrufe oder Nachrichten von Apps auflaufen, an die entsprechende Notification Bar von Googles mobilem Betriebssystem Android. Die neuen Kamera-Funktionen, mit denen die iOS-Anwender jetzt schneller Fotos aufnehmen können, gab es zuvor bereits bei Smartphones mit dem mobilen Microsoft-System Windows Phone 7. Und der neue iOS-Messenger, über den man auch ohne Mobilfunknetz über WLAN mit anderen iOS-Anwendern chatten kann, erinnert an den beliebten Blackberry-Messenger.
Auch die Aktivierung eines neuen Mobilgeräts ohne PC, die nun bei Apple möglich ist, hat man zuvor schon bei der Konkurrenz gesehen. „Jedes Feature, das mir bislang bei Android besser gefallen hat, wird von iOS 5 angesprochen. Wenn sie nun das Apple-Benutzererlebnis richtig hinbekommen, wird das eine coole Sache“, twitterte Uli Hegge, Mitbegründer der Internet-Firma Wunderloop und ehemaliger Leiter des Burda Media Innovation Labs.
Apple hat sich aber nicht nur an den Wettbewerbern orientiert, sondern auch etliche Funktionen in das Mobil-System integriert, die bislang von Drittanbietern zur Verfügung gestellt wurden. Firmen wie Instapaper (Offline-Nutzung von Webseiten), Wunderlist (To-do-Listen) oder Lock-Info (Informationen und Statusberichte auf der Startseite des iPhones) müssen sich nun überlegen, wie sie ihre Produkte von den verbesserten Grundfunktionen des iOS abgrenzen können.
Beim ebenfalls vorgestellten neuen Mac OS X „Lion“ waren die meisten Neuerungen schon vor der WWDC bekannt: Das Betriebssystem für die Macintosh-Rechner bekommt künftig einige Bedienelemente des iPad, kann über ein Trackpad weitgehend mit Wischgesten bedient werden. Anwendungen können nun einen Vollbildschirm-Modus einnehmen, bei dem alle Bedienelemente ausgeblendet werden.
Eine verschlüsselte WLAN-Übertragung von Dateien namens Airdrop soll Mac-Nutzern das Herumreichen von USB-Sticks ersparen. Die Resume-Funktion stellt Anwendungen genau so wieder her, wie man sie verlassen hat, wenn beispielsweise der Mac neu gestartet oder ein Programm geschlossen und neu geöffnet wurde. Das neue Auto Save speichert Dokumente automatisch, während man daran arbeitet. Und die Funktion Versions sichert automatisch aufeinanderfolgende Versionen von Dokumenten. Ein Zeichen setzte Apple beim Preis: Das Update von der Vorgängerversion „Snow Leopard“ kostet lediglich 24 Euro und kommt im Juli auf den Markt. Anders als die Vorgängerversionen kann man das Betriebssystem aber nicht mehr auf DVD kaufen, sondern nur noch online im Mac App Store.