Arora: 2012 „fundamentaler Wendepunkt“ für Internet
München (dpa) - Das Internet steht nach Einschätzung von Managern aus der Online-Wirtschaft vor einem weiteren Entwicklungssprung.
„2012 wird ein fundamentaler Wendepunkt. Wir werden eine grundsätzliche Neuorientierung von immer mehr Informationen und neuen Services hin zum Nutzer erleben“, sagte Google-Topmanager Nikesh Arora am Dienstag auf der Web-Konferenz DLD (Digital, Life, Design) in München. John Donahoe, der Chef des Online-Marktplatzes Ebay, sagte gravierende Veränderungen im Einzelhandel voraus.
Arora betonte, in den vergangenen Jahren hätten Breitband-Internet und Mobilfunk immer neue leistungsstarke Plattformen, Endgeräte und Services hervorgebracht. Nun müsse es darum gehen, das Web im Interesse der Anwender zu ordnen. Der Google-Manager nannte unter anderem die bessere Integration und Vernetzung zwischen verschiedenen Plattformen. Eine der größten Herausforderungen bestehe darin, den Nutzern einen einfachen und einheitlichen Zugang zu ihren Inhalten und Services auf allen internetfähigen Endgeräten zu ermöglichen - vom Handy, über Tablet Computer und Notebook bis hin zur nächsten Generation von TV-Geräten.
Unter besonders großem Veränderungsdruck stehe die Medienindustrie. Noch habe die Digitalisierung die Prozesse zur Herstellung von Inhalten kaum verändert. Medienunternehmen, die dauerhaft im digitalen Wettbewerb bestehen wollten, müssten dringend damit beginnen, die Erstellung von Inhalten neu zu organisieren.
EBay-Chef John Donahoe sagte, er gehe davon aus, dass sich der Einzelhandel in den nächsten drei Jahren mehr verändern werde als in den zurückliegenden 20 Jahren. Allein der Siegeszug internetfähiger Smartphones habe die Grenzen zwischen dem Einkaufen im Web und dem klassischen Shoppingerlebnis verwischt. Die Konsumenten erwarteten in Zukunft von Marken wie Händlern ein grenzenloses Einkaufserlebnis. Dabei sei nicht ausgemacht, ob dieser neue Wettbewerb eher zu Gunsten der traditionellen Handelsmarken oder der neuen digitalen Plattformen ausgehe. Nach Einschätzung von Donahoe werden digitale Bezahlsysteme in absehbarer Zeit das herkömmliche Bezahlen mit Bargeld ablösen. „Ich trage eine Geldbörse mit mir, meine Vater hatte eine, mein Großvater auch. In zwei Jahren wird die verschwunden sein“, sagte der Konzernchef.
Donahoe betonte, auf der Online-Handelsplattform Ebay habe es eine große Verschiebung hin zu Festpreisangeboten gegeben. „Auktionen machen nur noch zehn Prozent des Business der Ebay Inc. aus.“ Der Ebay-Chef kündigte an, die technischen Schnittstellen (APIs) des Konzerns (Ebay, PayPal, GSI) für große Einzelhändler zu öffnen.
Wikipedia-Gründer Jimmy Wales warnte angesichts der Komplexität und der globalen Vernetzung der Internet-Ökonomie vor Versuchen, die Gefahren und Missstände mit schärferen Gesetzen bekämpfen zu wollen. Wales verwies auf die von der amerikanischen Film- und Fernsehindustrie betriebene Gesetzesinitiativen, die den Bruch von Urheberrechten mit drakonischen Strafen und Netzsperren ahnden sollen. Wenn jemand wie der Medienunternehmen Rupert Murdoch in diesem Zusammenhang Google als den Anführer der Internet-Piraten bezeichne, sei dies „verrückt und kompletter Unsinn“.
Aus Protest gegen die in beiden Gesetzentwürfen angedrohten Netzsperren war die englische Version des Online-Lexikons in der vergangenen Woche zum ersten Mal für einen Tag vom Netz gegangen. Wales schloss eine Wiederholung nicht aus. Er beobachte mit Sorge sowohl in den USA wie international neue Gesetzesvorstöße, die die Freiheit des Internets bedrohten.