Bericht: CeBIT stoppt den Fall - doch wie geht es weiter?
Hannover (dpa) - Mehr als 8000 Aussteller, rund 850 000 Besucher - diese Dimensionen aus dem Rekordjahr 2001 sind für die CeBIT in Hannover inzwischen Zahlen aus einer anderen Welt. Immerhin: Die CeBIT ist immer noch die weltgrößte Computermesse.
Der Niedergang der vergangenen Jahre scheint erstmal gestoppt. In diesem Jahr klettert die Ausstellerzahl zum zweiten Mal in Folge wieder leicht. Mehr als 4200 auf 70 Ländern sind es diesmal. Bei der Besucherzahl hofft die Messe, die Vorjahresmarke von 339 000 zu übertreffen. Große Aussteller wie Microsoft oder IBM halten der IT-Schau die Treue. Selbst Google ist hier. Und die Messe freut sich über einige prominente Rückkehrer wie Samsung oder Sharp.
Außerdem betonen die Veranstalter wieder einmal, dass die reine Zahl der Aussteller wenig aussage. „Es geht vor allem darum, dass die Kunden hier Geschäfte machen“, sagt Messevorstand Ernst Raue. Kann man also endlich aufatmen in Hannover? Selbst bei einem der großen CeBIT-Aussteller räumt man ein, dass die High-Tech-Leistungsschau ihre alte Strahlkraft noch nicht wiedererlangt hat.
Dass die Aussteller so schnell davonlaufen, dass die Messe von einem Jahr aufs andere verschwinden könnte, müsse man zwar nicht mehr fürchten. Doch die vom deutschen Branchenverband Bitkom vielbeschworene Rolle als IT-Leitmesse und Zentrum der digitalen Welt? Die hat inzwischen eher der Mobile World Congress übernommen, der traditionell wenige Tage vor der CeBIT die Industriekapitäne in Barcelona versammelt.
In Spanien sei eben das Wetter um diese Jahreszeit besser, stichelt ein deutscher Branchenverantwortlicher. Doch es ist mehr als das: Immer deutlicher wird die Spaltung der Industrie. Alles Mobile boomt - Smartphones, Tablets, Apps. Die Anbieter klassischer PCs und IT-Dienstleistungen, die seit jeher eine CeBIT-Stütze waren, müssen sich gegen eine Flaute stemmen.
Zudem ist Apple inzwischen von einem strauchelnden Nischen-Anbieter zu einem Taktgeber der Industrie geworden. Das Problem der CeBIT mit dem iPhone- und Mac-Konzern: Er bleibt grundsätzlich allen Branchenmessen fern und setzt lieber auf groß zelebrierte Events in Eigenregie. Die nächste große Produktvorstellung von Apple kommt am Mittwochabend: Dann werde die Technik-Interessierten aus aller Welt nicht nach Hannover schauen, sondern nach San Francisco, wo Apple das nächste iPad enthüllt. Auch wenn sich kaum noch einer daran erinnern kann: Der erfolglose iPad-Vorläufer aus der Windows-Welt, der „Ultra-mobile PC“ war 2006 noch auf der CeBIT präsentiert worden.
Die CeBIT könnte heute besser dastehen, wenn sie nicht vor einem Jahrzehnt durch ein Zerwürfnis der Aussteller auf einen Zick-Zack-Kurs geschickt worden wäre. Die Schwergewichte, die in Ruhe Geschäfte abschließen wollten und sich von den durchziehenden Menschenmassen gestört fühlten, setzten sich Mitte des vergangenen Jahrzehnts durch. Die Vision einer „Business-Messe“ sorgte dafür, dass die Verbraucher und Technik-Freunde weniger Gründe hatten, nach Hannover zu fahren. Und Unterhaltungselektronik-Hersteller konzentrierten sich eher auf die IFA in Berlin, die mit einem jährlichen Rhythmus ihre Schlagzahl verdoppelte.
Die CeBIT steuert dem Bedeutungsverlust seit einigen Jahren dagegen. Erst versuchte sie, junge Internet-Unternehmen auf eine Plattform namens „Webciety“ zu locken. In diesem Jahr soll zudem mit dem Projekt „Code_n“ die klassische Messepräsenz eine neue Optik bekommen. Eine künstlerisch gestaltete Halle soll die Innovationen in neues Licht setzen und damit zu einem Erlebnis machen. Sieht so die Zukunft der CeBIT aus?
Für Freunde unfreiwilliger Komik hat die CeBIT in diesem Jahr allerdings auch etwas parat. Am Donnerstag nimmt ein ungewöhnlicher Weltrekordhalter am traditionellen Messelauf CeBIT Run teil. Seine Spezialität: Rückwärtslaufen.