„Biernominierung“ - ein neuer Internet-Trend mit Gefahren
London (dpa) - Eine Frau reitet auf einem Pferd in einen Supermarkt, trinkt eine Dose Bier auf Ex aus, und fordert drei Freunde auf, es ihr nachzutun.
Ein wackeliges Handyvideo davon hat sie auf Facebook hochgeladen. Ihre Freunde haben jetzt 24 Stunden Zeit, mit einem eigenen Video von ihrer Trinkaktion zu antworten, und wieder neue Leute zum Mitmachen aufzufordern.
Das sind die Regeln des Online-Spiels, das unter Namen wie „Neknominierung“, „Socialbeergame“ oder „Biernominierung“ die Runde macht. Es ist dasselbe Prinzip wie beim Kettenbrief, den man an mindestens fünf Menschen weiterleiten sollte.
Angefangen hat der Trend wohl in Australien, und sich von dort rasend schnell auch bis nach Deutschland verbreitet. Tausende Videos zeigen meist junge Leute bei ungewöhnlichen Trinkaktionen: In schrägen Kostümen, auf dem Kopf stehend oder fünf Bierflaschen hintereinander wegkippend.
Sogar ein bayerischer Bürgermeisterkandidat machte mit. Der Schongauer Tobias Kalbitzer stellte ein Video auf seine Facebook-Seite, in dem er in karierten Unterhosen und Sakko ein Bier ext. Er rief seine drei Gegenkandidaten zum Mitmachen auf: „Auf geht's, Jungs. Schau'n mer mal, wer besser wird.“ Doch es hagelte Kritik. Kalbitzer entschuldigte sich schließlich für die Aktion. Er sei weit davon entfernt, zum „Komasaufen“ aufzurufen, sagte er. „Die Wettschulden werde ich sicher auch nicht einfordern.“
Irische Behörden warnen bereits vor den Trinkspiel-Aufforderungen im Netz. In Großbritannien und Irland hat sich die Diskussion nach einem Vorfall verschärft: Am vergangenen Samstag war im irischen Carlow ein 19-Jähriger in einen Fluss gesprungen und ertrunken. Seine Familie meint, der Sprung sei Teil eines „Neknomination“-Videos gewesen. „Das Ganze ist ein Mobbing-Spiel geworden“, sagte der Bruder des jungen Mannes dem Sender BBC. Ein Bekannter von ihm, der nicht habe mitmachen wollen, sei danach als Feigling beschimpft worden.
Auch ein 22-jähriger DJ aus Dublin soll „Neknomination“ gespielt und an den Folgen gestorben sein. Die irische Polizei bestätigte lediglich den Tod der Männer, aber nicht die Verbindung zum Online-Spiel.
Die irische Regierung rief Facebook auf, das Spiel zu unterbinden. „Es muss einem hochprofitablen und international agierendem Unternehmen wie Facebook doch möglich sein, eine Methode zu entwickeln, die die Gefahren durch „Neknominations“ für die Nutzer hervorhebt“, sagte der irische Kommunikationsminister Pat Rabbitte der Nachrichtenagentur dpa. Er forderte das Unternehmen auf, Seiten mit Trinkvideos zu löschen.
Von Facebook hieß es, der Trend verbreite sich nicht nur über das Online-Netzwerk, sondern auch über andere Internetseiten. Man habe aber Videos beobachtet und untersucht. Nach Facebooks Richtlinien werden Inhalte gelöscht, wenn sie Gewalt propagieren oder Mobbing stattfindet. Das sei bei den Trinkvideos nicht der Fall. „Wir rufen Nutzer auf, uns Inhalte zu melden, von denen sie glauben, dass sie die Regeln brechen“, sagte ein Facebook-Sprecher.
„Trinkspiele sind nichts Neues, aber sie können dazu führen, dass jemand sehr schnell sehr viel mehr trinkt und das kann sehr gefährlich sein“, sagte eine Sprecherin von Nordirlands Gesundheitsbehörde. Sie rief Jugendliche dazu auf, den Anti-Neknomination-Seiten im Internet beizutreten, die bereits gegründet worden seien. Auf Facebook-Seiten wie „Stop Neknominate“ heißt es schon: „Lasst uns Todesfälle durch Gruppenzwang verhindern.“
Mittlerweile ist eine Gegenbewegung im Gange. Dabei filmen sich Menschen bei einer guten Tat und fordern andere zum Mitmachen auf. So machte das Video eines Südafrikaners die Runde, der Essen an Arme verteilte. Auch Bürgermeisterkandidat Kalbitzer erreichte ein solcher Clip. Darin überreicht eine junge Frau Schulsachen und Kinderkleidung an eine Mitarbeiterin eines Asylbewerber-Heims. Am Ende nominiert sie drei Menschen, „etwas Gutes und Selbstloses zu tun“ - darunter Kalbitzer. „Diese Nominierung nehm ich natürlich sehr gerne an!“ schrieb dieser als Antwort.
Andere lächeln über das Phänomen hinweg und warten einfach darauf, dass der Hype vorbei geht. So war es dem Internet-Spiel „Planking“ ergangen. Dabei hatten sich Teilnehmer fotografiert, wie sie Kerzengerade an ungewöhnlichen Orten oder auf besonderen Gegenständen lagen, und die Bilder ins Netz gestellt. Auch dabei machten gefährliche Aktionen die Runde. So gab es Fotos zu sehen, bei denen die Macher auf Dächern oder Balken lagen. Inzwischen ist der Trend wieder in den digitalen Niederungen verschwunden.