CeBIT träumt vom „digitalen Wirtschaftswunder“
Hannover (dpa) - Die Digitalisierung der Wirtschaft sorgt für Hoffnung und Angst auf der CeBIT. IT-Schwergewichte versprechen in Hannover das „digitale Wirtschaftswunder“, warnen aber zugleich davor, dass deutsche Firmen abgehängt werden könnte.
„Wer jetzt nicht die Weichen für die Zukunft stellt, ist schnell vom Markt verschwunden“, mahnte der Präsident des Branchenverbands Bitkom, Dieter Kempf, zum Start der weltgrößten IT-Messe.
Es gehe um die Frage, ob Deutschland eine Führungsrolle als digitalisierter Industriestandort einnehmen oder das Feld agilen Ländern wie Südkorea, China oder die USA überlassen wolle, sagte Klaus von Rottkay, Mitglied der Geschäftsleitung von Microsoft Deutschland. „Wir können die Erfolgsgeschichte des Wirtschaftsstandorts Deutschland digital fortschreiben, wenn wir jetzt entschlossen die Voraussetzungen für ein digitales Wirtschaftswunder schaffen.“
Netzbetreiber wie Deutsche Telekom und Vodafone wollen dabei eine Schlüsselrolle als Dienstleister für die vernetzte Wirtschaft einnehmen. „Wir werden in den nächsten Jahren das industrielle Internet bauen und damit ein Tor für ganz neue Wertschöpfungsketten aufstoßen“, sagte Vodafone-Deutschlandchef Jens Schulte-Bockum.
Die Telekom will alle Eckpunkte abdecken: Standards setzen, Plattformen bauen, Daten analysieren, Sicherheit bieten, Konnektivität über die Netze herstellen. Unter anderem soll es als Plattform für die vernetzte Technik eine „Cloud der Dinge“ geben, sagte der Chef der Dienstleistungstochter T-Systems, Reinhard Clemens.
Deutsche Unternehmen seien heute beim Maschinen- und Anlagenbau an vielen Stellen Weltmarktführer, sagte Clemens. Experten warnen aber schon lange, dass diese Führungsposition mit der voranschreitenden Digitalisierung in Frage gestellt werden könnte. Mit der Vernetzung von Maschinen und Geräten werden Dienste auf Grundlage der erhobenen Daten immer wichtiger.
Die Telekom will über ein Bündnis mit dem Software-Konzern SAP auch mehr Gewicht bei Standards für die vernetzte Industrie bekommen. Allerdings gibt es weltweit - und auch in Deutschland - bereits mehrere Gruppen, die Standards prägen wollen. Zum Jahr 2020 rechnen Experten mit bis zu 50 Milliarden vernetzten Geräten von Industriemaschinen bis hin zu Zahnbürsten.
Der Analyse großer Datenmengen - „Big Data“ - wird Kempf zufolge eine zentrale Rolle zukommen. Davon werde es abhängen, wie der digitale Wandel in der Produktion bewältigt werde, sagte er. Anders als in den vergangenen Jahren gehe es heute um die Auswertung vor allem von unstrukturierten Daten in Echtzeit. Bei der Verkehrssteuerung, dem autonomen Fahren und besonders im Gesundheitswesen werde die Analyse großer Datenmengen für enorme Fortschritte sorgen.
Zum CeBIT-Start hob der Bitkom seine Wachstumsprognosen für das laufende Jahr an. Der Umsatz wird in der Branche demnach um 1,5 Prozent auf 155,5 Milliarden Euro wachsen. Zuvor gingen die Branchenbeobachter von einen Anstieg um 0,6 Prozent aus. „Es ist die Digitalisierung, die den Markt treibt“, sagte Kempf. Zugleich stelle sie Unternehmen in Deutschland heute vor ähnlich große Probleme wie der Fachkräftemangel, ergab eine repräsentative Bitkom-Umfrage.
Laut IHK Unternehmensbarometer erwarten in Deutschland derzeit 50 Prozent der industriellen Großunternehmen, aber nur 27 Prozent der mittelständischen Firmen durch Digitalisierung ihrer Prozesse Umsatzzuwächse. „Dieses Deutschland der zwei Geschwindigkeiten können wir uns auf Dauer nicht leisten“, sagte Microsoft-Manager Rottkay.
Auf der CeBIT in Hannover (16. bis 20. März) sollen unter dem Kunstbegriff „d!conomy“ die Besucher Antworten auf alle Fragen zur Digitalisierung aus erster Hand bekommen, sagte Oliver Frese, Vorstandsmitglied der Deutschen Messe AG. Die Veranstalter haben die Veranstaltung, zu der einst viele Privatleute kamen, zu einer vor allem auf Unternehmen ausgerichteten Messe umgestaltet.