Chaos Computer Club will 2013 weiter Druck machen
Hamburg (dpa) - Die größte europäische Hacker-Vereinigung hat sich auf einem viertägigen Kongress in Hamburg gegen staatliche Überwachungstechnik, Zensur und Internet-Regulierung ausgesprochen.
Mit 6000 Teilnehmern fand die Konferenz des Chaos Computer Clubs (CCC) so viel Resonanz wie nie zuvor in der 31-jährigen Geschichte des Vereins. Zum Abschluss ging es am Sonntag unter anderem um die Rolle des Verfassungsschutzes und diskriminierungsfreie Sprache.
Im neuen Jahr will der CCC die digitale Militärtechnik für Drohnen und andere automatisierte Systeme zu einem zentralen Thema machen. CCC-Sprecher Frank Rieger rief Software-Entwickler und Ingenieure am Samstag dazu auf, sich einer militärischen Nutzung ihrer Fähigkeiten zu widersetzen.
Auch der Raketeningenieur Wernher von Braun sei ein großes Talent gewesen, habe seine Fähigkeiten aber in den Dienst militärischer Interessen gestellt, sagte Rieger mit Blick auf das diesjährige Leitmotiv beim Chaos Communication Congress. Das Motto „Not my department“ (Nicht mein Fachgebiet) kritisierte die Neigung von Technikern, sich nicht um Verantwortung und Konsequenzen ihres Handelns zu kümmern. „Wir sagen: Arbeitet nicht für diese Leute, überlegt Euch, für wen Ihr Eure Fähigkeiten einsetzt“, sagte Rieger im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.
In einem Rückblick auf das Jahr bekräftigte der CCC die Ablehnung von staatlicher Überwachungssoftware wie der „Staatstrojaner“, Vorratsdatenspeicherung und Abmahnungen bei Verstößen gegen das Urheberrecht. „Wir sind eine unabhängige Instanz“, sagte Rieger zum Selbstverständnis des Vereins. „Wir sind dafür da, eine unabhängige Expertise zu bringen, die von niemandes Interesse geleitet ist.“
Viele der Kongressteilnehmer kamen allerdings vor allem, um sich über den kreativen Umgang mit digitaler Technik auszutauschen und selbst Software zu entwickeln oder an neuer Hardware zu tüfteln. Eine zeitweise heftige Debatte löste in der von Männern dominierten Szene die Kritik von Frauen an Bemerkungen aus, die als sexistisch empfunden wurden. Aufgegriffen wurde dieser Konflikt am Sonntag vom Berliner Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch, der aufzeigte, wie das Verhältnis zwischen den Geschlechtern von der sprachlichen Entwicklung geprägt wurde: „Sprache speichert Ideologien der Vergangenheit ab und trägt sie in die Zukunft.“ Deshalb sei es heute auch wichtig, „die Sprache zu hacken“.
Die lebhafte Diskussion über Netzpolitik schlägt sich in der Mitglieder-Entwicklung des Vereins nieder. Die Zahl der Neuaufnahmen habe sich in diesem Jahr auf 823 verdoppelt, sagte CCC-Sprecherin Constanze Kurz. Unter den Neumitgliedern seien sowohl passive Unterstützer als auch aktive Teilnehmer an Hackerprojekten in örtlichen Arbeitskreisen. Auf dem Kongress stieg die Zahl der Mitglieder nach Angaben Riegers auf mehr als 4000. Kürzlich wurde auch in der Schweiz ein CCC gegründet. Im Unterschied zu den USA, wo der Begriff des Hackers in der öffentlichen Wahrnehmung eng mit dem kriminellen Untergrund verbunden ist, wird das Hacken in Europa eher als kreativer Umgang mit Technik betrachtet.