Crowdsourcing: Kunden werden online zu Mitarbeitern

Berlin (dpa) - Praktisch, günstig, kundennah: Immer mehr Unternehmen entdecken das „Crowdsourcing“ im Netz. Kunden sollen online mitdenken, mitbestimmen, mitentwerfen - und dann natürlich kaufen.

Doch viele Online-Communities wollen da nicht mitmachen, manche sabotieren.

„Just Stevinho“ heißt eigentlich Steve Krömer und ist Lehrer in einem kleinen Dorf in Niedersachsen. So ganz nebenbei ist der 37-Jährige aber auch Designer - ob für Motorräder oder Spülmittelflaschen. Sein jüngster Erfolg: Eine Kombination aus Hühnchen, Käse, Rucola und Gurke im Brötchen, die im Juli eine Woche lang deutschlandweit in McDonald's-Filialen verkauft wurde.

Krömer hatte den Internet-Wettbewerb „Mein Burger“ gewonnen - eine der bislang größten „Crowdsourcing“-Aktionen der umsatzstärksten Fastfood-Kette der Welt. „Mir macht das Spaß, online so ein bisschen rumzubasteln“, sagt Krömer. „Und dass ich gewonnen habe, das ist natürlich eine Sache, die man nicht vergisst. Das werde ich noch meinen Kindern erzählen.“

Zwei Monate lang hatte die Fastfood-Kette im Internet Hamburger bauen und anschließend darüber abstimmen lassen. Mehr als eine Million Menschen beteiligten sich an der Aktion. „Ein voller Erfolg“, sagt Unternehmenssprecher Nicolas von Sobbe. Der aus Amerika stammende Trend zum Crowdsourcing ist längst auch auf dem deutschen Markt angekommen. „Das ist zur Zeit das große Thema“, sagt Frank Jacob, Professor für Marketing an der Berliner Wirtschaftshochschule ESCP. „Viele Unternehmen nutzen es in verschiedene Richtungen und ich halte es für äußerst zukunftsträchtig.“

Beispiele gibt es zuhauf: Die Kaffeehaus-Kette Starbucks suchte online ein neues Logo, eine Biermarke „den Nachtclub der Zukunft“ und der Autohersteller Fiat bat um Design-Ideen für ein neues Fahrzeugmodell. Der Handels- und Kaffeekonzern Tchibo fahndet nach „Alltagsproblemen“ und deren Lösungen - die idealerweise dann gleich zu Produkten werden könnten. Fast 1000 Menschen beteiligen sich an der Online-Plattform und entwerfen beispielsweise Abdeckungen für Heimtrainer, Flaschenhalter oder „Gehhilfen mit integrierter Rutschsicherung“. Für Tchibo eine ideale Fundgrube.

Die Vorteile liegen auf der Hand: „Besser, günstiger, schneller“, bringt es Marketingprofessor Jacob auf den Punkt. Mehr Menschen, die sich beteiligen, bedeuten auch mehr Wissen und mehr Kreativität - und das fast zum Nulltarif. „Für die Menschen zählt vor allem der Selbstzweck und die Selbstverwirklichung. Und wenn dann eine ihrer Ideen umgesetzt wird, ist es natürlich auch eine Sache von Status.“ Die Kunden sollen sich ernst genommen fühlen. „Man spricht auf Augenhöhe miteinander.“

Weiterer Vorteil: Schon während der Entwicklung des Produkts wird die Akzeptanz beim Kunden vorangetrieben - denn der hat ja selbst mitentworfen. Und durch die vielen Kommentare der Internet-Nutzer kann gleich auch noch Marktforschung betrieben werden.

Eine neuen Werbe-Wunderwaffe also? Nein, wiegelt der Experte ab. Schließlich sei die Umsetzung der Strategie, deren Namen der amerikanische Journalist Jeff Howe vor einigen Jahren als Kombination aus „Crowd“ (Menschenmenge) und „Outsourcing“ (Auslagerung) zusammensetzte, keineswegs einfach. „Das Unternehmen muss mit den neuen Kommunikationstechnologien gut vertraut sein und zuhören können. Wenn man sich auf so etwas einlässt, begibt man sich ins Web 2.0 und dort gelten andere Bedingungen“, erklärt Jacob. „Die Machtverhältnisse verschieben sich im Netz.“

Das musste jüngst der Konsumgüterhersteller Henkel erfahren. Per Crowdsourcing suchte er ein neues Design für eine Spülmittelflasche - und bekam unter anderem Würstchen-, Fratzen- und Grillhähnchen-Muster. Als die schrägen Entwürfe immer mehr Stimmen sammelten, schritt Henkel ein und verschärfte die Bedingungen. Jedes Design musste nun vor Eintritt in den Wettbewerb von Henkel abgesegnet sein. Viele Beteiligten fühlten sich nun betrogen und überschütteten die Webseite mit bitterbösen Kommentaren und Boykottaufrufen. Ein klarer Fall von fehlendem Wissen über die Umgangsformen im Netz, sagt Experte Jacob. „Da hat die Crowd zurückgeschlagen.“

Der Gewinner beim Spülmittelwettbewerb war übrigens auch Steve Krömer, der Lehrer und „Mein Burger“-Gewinner aus Niedersachsen. Allerdings nur nach Stimmen, denn Henkel wollte seine Flasche mit einem fratzenhaft anmutenden Gesicht mit großer gelber Nase und schwarzer Sonnenbrille nicht in Serie produzieren. Krömer kann das verstehen. Weder sei sein Design besonders schön gewesen, noch sein Burger außergewöhnlich appetitlich - er habe vor allem deswegen gewonnen, weil er die monatlich rund zwei Millionen Leser seines Blogs zum Abstimmen animieren konnte. „Die Firmen müssen einfach akzeptieren, dass im Internet nicht unbedingt das Schönste und Beste gewinnt, sondern im Zweifelsfall das Produkt, hinter dem die größte Community steht. Online hat eben alles eine eigene Dynamik.“