Das Auto wird zum Smartphone auf Rädern

Berlin (dpa) - Wenn Mercedes die Computer-Uhr Pebble sich mit seinen Autos verbinden lässt, ist das auf den ersten Blick eine kleine Sache. Doch gerade die Unterstützung der nur von wenigen genutzten Smartwatch zeigt, wie sehr das Auto bereits zu einem Teil der Internet-Welt geworden ist.

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Die Autoindustrie geht damit auf eine Reise, die sie gehörig verändern wird. „Es wäre naiv anzunehmen, dass wenn das Auto ein Teil des Internets wird, das Internet den Spielregeln der Autoindustrie folgt“, brachte es Continental-Manager Ralf Lenninger, der bei dem Autozulieferer die Kontakte zur IT-Branche pflegt, im September auf der Automesse IAA auf den Punkt. „Das vernetzte Auto ist nur mit vernetzten Industrien zu machen.“

Das ist ein Kulturwandel für die Industrie, die über Jahrzehnte nach ihren eigenen Gesetzen funktionierte. Auch bei der Einbindung von Online-Diensten in Fahrzeuge versuchten es die Hersteller zunächst mit hauseigenen Lösungen - meist zu saftigen Aufpreisen.

Doch der Vormarsch der Smartphones hat die Verbraucher ungeduldiger gemacht. „Entweder wir bieten ihnen zu vernünftigen Preisen die Funktionen, die sie gewohnt sind, oder sie werden beim Autofahren auf ihre Handys schielen“, sagt ein Brancheninsider. Inzwischen lassen sich auch in immer mehr günstigeren Auto-Modellen die Apps vom Smartphone - meist über Plattformen der Hersteller - auch auf den Bildschirmen der Infotainment-Anlagen nutzen.

Nach Informationen des „Wall Street Journal“ will Audi noch weiter gehen und die Unterhaltungs- und Informationsanlagen in seinen Autos gleich auf dem Google-Betriebssystem Android laufen lassen. Eine Ankündigung sei für kommende Woche auf der Elektronik-Messe CES in Las Vegas geplant, heißt es.

Doch das alles ist nur der Anfang. Das Auto reiht sich insgesamt in die Riege vernetzter Geräte im Alltag ein. In einem Ford-Konzept lässt es zum Beispiel den Wecker früher klingeln, wenn der Verkehr zäh fließt. In der Pebble-Integration bei Mercedes kann der Besitzer auf seiner Uhr unter anderem sehen, wie voll der Tank ist und ob die Türen verschlossen sind. Renault demonstrierte jüngst, wie man in kommenden Modellen über das Smartphone das Reiseziel eingeben und für die gewünschte Temperatur im Innenraum sorgen kann. Beim Elektroauto-Bauer Tesla kann man das schon jetzt - und auch von jedem Ort der Welt das Sonnendach schließen oder den Ladestand der Batterien kontrollieren.

Teslas Model S ist dafür über eine UMTS-Verbindung permanent mit dem Internet verbunden. Und diese Daten-Anbindung, die das Auto zu einer Art Smartphone auf Rädern macht, ist das Schlüsselelement der neuen vernetzten Mobilität. Karten im Navigationsgerät können per Funk aktualisiert werden - oder sie kommen gleich aus der Cloud. Musik oder Filme für den Nachwuchs auf der Rückbank werden per Streaming aus dem Netz geliefert. Apps können direkt auf freie Parkplätze hinweisen oder bei Unfällen wichtige persönliche Informationen an Rettungsdienste übermitteln.

Die Marktforschungsfirma Gartner schätzt, dass zum Jahr 2017 jeder vierte Autobauer Geld mit im Fahrzeug abgeschlossenen E-Commerce-Geschäften machen wird. Auch die europäischen Telekom-Konzerne, die mit Umsatzrückgängen in ihrem Kerngeschäft kämpfen, wittern eine Chance auf neue Erlöse - über die reine Datenpipeline hinaus. So bietet sich die Telekom-Tochter T-Systems an, eine neutrale Plattform für Apps bereitzustellen. „Wir brauchen im Auto eine offene Plattform, auf die alle Dienste-Anbieter aufspringen können“, sagt T-Systems-Chef Reinhard Clemens.

Ein interessanter Nebeneffekt könnte sein, dass der Vormarsch des Internet-Autos der umprogrammierbaren Mobilfunk-SIM die Tür öffnet. Karten-Hersteller wie Giesecke & Devrient haben längst SIM-Karten entwickelt, die sich per Funk auf eine neue Telefon-Nummer umstellen lassen. Mit einer solchen Karte im Telefon müsste man zum Beispiel bei einem Anbieterwechsel keine kleinen Chip-Kärtchen im Handy austauschen. Apple würde laut Medienberichten die fest verbaute SIM gern in seine iPhones einbauen, doch die Mobilfunk-Anbieter legen sich dem Vernehmen nach bisher quer. Im Auto kommt die Technologie jedoch zum Einsatz und soll zum Beispiel ermöglichen, dass in einem anderen Land ein lokales Netz ohne Roaming-Gebühren genutzt wird.