Datenschützer fordern politische „Leitplanken“ für IT-Branche

Berlin (dpa) - Bei der Ausgestaltung eines einheitlichen europäischen Datenschutzes setzt die Computer- und Telekommunikationsbranche auf eigene Regeln der Industrie. Sie will damit auch einer Regulierung durch die Politik zuvorkommen.

Datenschützer und Vertreter der Politik zweifeln dagegen an der Wirksamkeit solcher Maßnahmen. Vor allem Soziale Netzwerke bräuchten politische „Leitplanken“, forderten die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder .

Es zeichne sich ab, dass die seit langem angekündigte Selbstregulierung der Betreiber Sozialer Netzwerke aufgrund des Widerstands großer Anbieter nicht zustande komme, erklärten die Datenschutzbeauftragten. Der Gesetzgeber solle deshalb die bestehenden Gesetzeslücken schnell schließen. Dafür hätten die Datenschützer eine Orientierungshilfe erarbeitet.

Zuletzt hatte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) Ende Februar die Sozialen Netzwerke in Deutschland angemahnt, ihren lange angekündigten Verhaltenskodex endlich vorzulegen. Die Grundlagen dafür, Netzwerke transparenter und nutzerfreundlicher zu machen sowie die Rechtssicherheit der Mitglieder zu verbessern, seien gelegt. Doch eine Einigung mit den 16 Datenschutz-Behörden der Bundesländer stünde weiter aus, erklärte Friedrich damals.

Datenschützer wie Thilo Weichert, der in Schleswig-Holstein etwa für Facebook zuständig ist, stehen einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Unternehmen kritisch gegenüber. Am Donnerstag sprach sich auch Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) für klare politische Vorgaben aus. „Wir dürfen uns die Regeln nicht von global aktiven Suchmaschinen, Sozialen Netzwerken oder Online-Shops vorgeben lassen“, sagte Aigner.

Spielregeln für Anbieter, die in Europa Geschäfte machen wollen, sollten durch eine EU-Verordnung festgeschrieben werden, sagte Aigner. Diese Verordnung wird derzeit erarbeitet. Daneben müsse aber auch die IT-Branche selbst noch konsequenter auf sichere, vertrauenswürdige und nachvollziehbare Angebote setzen.

Die Branche vertraut dagegen weiter auf das Prinzip der Selbstverpflichtung und will sich in Sachen Datenschutz europaweit selbst in die Pflicht nehmen. Nur so könne der Datenschutz für die Verbraucher effektiv gestärkt und gleichzeitig der Industrie die nötige Flexibilität bei der Entwicklung neuer Produkte ermöglicht werden, teilte der Branchenverband Bitkom am Donnerstag mit. Anders könne der Datenschutz mit dem hohen Innovationstempo in der digitalen Welt kaum Schritt halten.

Um die Selbstverpflichtung der Unternehmen zu fördern, hat der Branchenverband gemeinsam mit dem Verein Selbstregulierung Informationswirtschaft e.V. (SRIW) eine Initiative gestartet. „Wir wollen die Kontrolle der Verbraucher über ihre Daten sicherstellen, ohne die Innovationskraft der ITK-Branche durch unnötige bürokratische Hürden zu bremsen“, sagte Bitkom-Präsident Dieter Kempf.

Dass Selbstverpflichtungen der Industrie sehr wohl greifen, zeige beispielhaft der Kodex für Geodatendienste, sagte Harald Lemke, Vorstandschef des SRIW. Darin geht es um Internetangebote, die mit Ortsdaten arbeiten. Der Kodex biete eine verbraucherfreundliche Datenschutzlösung, die etwa eine Verpixelung von Häuserfassaden durch wenige Mausklicks über ein zentrales Portal ermöglicht.

Auch der Entwurf zu einer europaweiten Datenschutz-Grundverordnung sehe vor, die Selbstverpflichtung der Industrie zu fördern. Es bleibe aber unklar, wie diese anerkannt und kontrolliert werden sollte, erklärten die Verbände. Sie wollen deshalb ein gerichtlich überprüfbares Anerkennungsverfahren für Selbstverpflichtungen etablieren. Nur so könne Rechtssicherheit entstehen und den Unternehmen wichtige Anreize gegeben werden, sich zu engagieren.