E-Learning ist schön, aber in den Schulen eine ferne Vision

Karlsruhe (dpa) - Es ist dreidimensional und bunt und sehr anschaulich: Am 3D-Modell eines Schädels kann der moderne Schüler auf einem riesigen Bildschirm genau betrachten, wie der Gehörgang aufgebaut ist und das Gehör funktioniert.

Cyber-Classroom nennt sich das, die Firma Visenso stellte ihn am Dienstag auf der Bildungsmesse Learntec in Karlsruhe vor. Rund 15 500 Euro kostet das digitale Klassenzimmer, es kann auch von Tablets oder Spielkonsolen angesteuert werden. „Wir haben das mit Didaktikern zusammen entwickelt“, sagt Visenso-Mitarbeiter Emanuel Kilger. „Technik im Klassenzimmer ist ein enormer Motivationsfaktor.“

Aber man kann es drehen und wenden wie man will: Genau daran hapert es an den Schulen. Nach wie vor haben die wenigsten eine elektronische Tafel. Computer oder Tablets während des Unterrichts sind die Ausnahme, Handys bleiben zumeist verboten. „Das höchste der Gefühle ist nach wie vor ein Overhead-Projektor“, formuliert es ein wenig überspitzt Hagen Heinrich vom Niedersächsischen Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ).

Zwar nutzt nach einer vom Hightech-Verband Bitkom in Auftrag gegebenen Studie inzwischen ein Drittel aller Deutschen E-Learning in irgendeiner Form; die meisten Nutzer sind zwischen 14 und 29 Jahre alt. In den Schulen aber sind entsprechende Angebote Mangelware. „Es gibt eine Fülle von Problemen und wir sind noch ganz am Anfang“, sagt der Vizedirektor des Landesmedienzentrums, Peter Jaklin. Zum einen seien viele Lehrer überfordert: „Sie müssen den Lehrplan durchboxen, die Kinder erziehen und nebenher noch Medienkompetenz erwerben - das ist eine Wahnsinnsaufgabe“, sagt er.

Zum anderen hapert es schon während der Ausbildung: „Computer und interaktive Lernmöglichkeiten sind gar nicht ins Lehramtsstudium angemessen eingebunden“, sagt Uwe Kohnle von der Bruchsaler Firma Lernmodule.net, von Haus aus selbst Lehrer. „Vielen Lehrern fehlt außerdem die Fantasie: Sie müssen ja nicht unbedingt im Unterricht mit Computern arbeiten. Es geht ja auch so.“

Den für die Ausstattung der Schulen verantwortlichen Kommunen als Schulträger mangelt es oft auch schlichtweg am Geld: „Zwar herrscht bei uns Lehrmittelfreiheit - aber wer bezahlt denn die Tablets?“, fragt Jaklin. Ex-Lehrer Heinen vom NLQ verweist wiederum auf Projekte in niedersächsischen Schulen: Dort leasen die Eltern die Geräte. „Das können sich sogar Familien mit wenig Geld leisten.“

Auch Sponsoren springen mitunter ein - aus vorausschauendem Eigeninteresse: „Sie wollen den Fachkräfte-Nachwuchs schon an den Schulen fördern“, sagt Arne Gels, Geschäftsführer des Lernspielanbieters Zone2Connect. Das Unternehmen entwickelte im Auftrag des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall ein Lernspiel speziell für Naturwissenschaften und Technik. Auf einem USB-Stick können Lehrer es gegen eine Schutzgebühr bei dem Verband kaufen und die Inhalte dann auf einer elektronischen Tafel verwenden.

Aber auch Gels ist mit Blick auf die Schulen bislang skeptisch: „Oft sind die Lehrer nicht geschult“, sagt er. „In Deutschland hängen wir im Vergleich zu England oder Frankreich einfach enorm hinterher.“ Gründe sieht er in politischen Zwängen, mangelnder Bildungsförderung und dem schlechten Ruf der Spielebranche allgemein. „Wir kommen nur schwer aus der Killerspiel-Ecke weg.“

Zu guter Letzt ist auch das Feld der digitalen Schulbücher noch weitgehend unbeackert. Zwar haben sich 16 Schulbuchverlage in einem „digitalen Buchregal“ zusammengeschlossen und bieten einen Teil ihrer Bücher digital an. Der Klett Verlag in Stuttgart etwa hat damit erst im vergangenen November begonnen und bislang rund 270 Bücher digitalisiert - einen Bruchteil des Gesamtangebots. „Auch da sind wir noch völlig am Anfang“, sagte Jaklin.