E-Reader und E-Books: Das Angebot wächst
Frankfurt/Main (dpa/tmn) - Das E-Book wird das gedruckte Buch noch lange nicht ablösen. Aber es ist auf dem besten Weg, sich als feste Größe zu etablieren, wie vor der Frankfurter Buchmesse 2011 (12. bis 16. Oktober) in der Branche allgemein anerkannt wird.
„Nordamerika ist uns vielleicht zwei Jahre voraus, und wir brauchen noch etwas Zeit, um das aufzuholen“, sagt Nina Kreutzfeldt, die gerade einen deutschsprachigen Online-Shop für den kanadischen E-Book-Anbieter Kobo aufbaut. „Aber wir haben jetzt eine sehr spannende Entwicklung vor uns, und ich glaube, schon in einem Jahr sind wir ein ganzes Stück weiter.“
Vor einem Jahr quälte sich die Verlagswelt mit der Frage, ob E-Books wohl eher auf den klassischen E-Readern gelesen werden oder auf den neuen Tablet-Computern wie dem iPad von Apple. Inzwischen sagen die meisten Experten: Beide werden als Lesegeräte für digitale Buchausgaben genutzt.
„Die Marktzahlen, die wir kennen, deuten alle auf eine Koexistenz beider Kategorien hin“, sagt der Geschäftsführer des E-Book-Händlers Libri.de, Per Dalheimer. „Man kann E-Books gut auf dem Tablet lesen, etwa zu Hause auf der Couch oder im Bett. Wenn man unterwegs ist oder viele E-Books liest, bietet sich der E-Reader an, schon wegen der langen Batterielaufzeit.“
E-Reader nutzen die Display-Technik E-Ink (elektronische Tinte). Hier werden Texte besonders kontrastreich auf einem matten, lesefreundlichen Bildschirm dargestellt. Eine Hintergrundbeleuchtung gibt es hier nicht - wie beim Buch benötigt man zum Lesen Tageslicht oder Kunstlicht. Strom wird hier nur für das Umblättern benötigt - so kommt das Gerät wochenlang ohne Akku-Nachladung aus.
Zu den meistverbreiteten E-Readern gehört der Kindle von Amazon - das Standardgerät mit 6-Zoll-Display kostet 139 Euro (mit Mobilfunkunterstützung sind es 189 Euro). Das Gerät ist Teil eines umfassenden Konzepts, bei dem der Kunde auf das spezifische Kindle-Format festgelegt ist. Erst im April hat Amazon seinen deutschsprachigen E-Book-Shop gestartet. Auch Apple hat eine enge Verbindung von Gerät und E-Book-Shop aufgebaut - das iPad holt seinen Lesestoff aus dem iBooks-Shop.
Die meisten anderen Anbieter setzen auf das Standardformat EPUB in Verbindung mit einer Kopierschutztechnik von Adobe. Als Hersteller von E-Readern blickt Sony bereits auf eine mehrjährige Geschichte zurück. Im Oktober kommt der PRS-T1 in den Handel, zu einem Preis von 149 Euro, mit einem verbesserten Touchscreen und einem integrierten Speicher von 2 Gigabyte, der mit Mikro-SD-Karten erweitert werden kann. Der Hersteller, der bis Ende des Jahres auch einen eigenen E-Book-Shop starten will, bringt nun auch zwei Tablet-Computer in den Handel - darunter das Tablet P, das sich mit zwei Bildschirmen wie ein Buch aufklappen lässt, um E-Books zu lesen.
„Wir sehen keinen Wettbewerb zwischen E-Reader und Tablet, sondern eher eine Ergänzung“, antwortete der für die Lesegeräte zuständige Sony-Manager Fujio Noguchi auf eine Frage der Nachrichtenagentur dpa. Der niedrigere Preis, der kontrastreiche Bildschirm und die lange Batterielaufzeit seien Vorteile, die besonders Vielleser zu schätzen wüssten.
Dalheimer erwartet, dass die Preise der E-Reader weiter nach unten gehen: „Im vergangenen Jahr hatten wir 179 Euro für einen WLAN-Reader. Jetzt sind es 139 Euro, und meine Prognose für nächstes Jahr sind 99 Euro.“ Wie andere E-Book-Shops auch verfolgt Libri.de eine „Multi-Device-Strategie“: Die Inhalte sollen auf jeder Art von geeignetem Gerät verfügbar sein, auch auf unterschiedlichen Tablet-Computern und Smartphones mit den entsprechenden Apps.
„Unser Ziel ist, jedem Leser auf der Welt die Möglichkeit zu bieten, zu jedem Zeitpunkt das Buch seiner Wahl zu finden und zu lesen“, sagt Kobo-Managerin Nina Kreutzfeldt. Das kanadische Unternehmen bietet ab Anfang Oktober auch einen für deutsche Nutzer angepassten E-Reader (149 Euro) an. Aber „die Inhalte stehen bei uns im Mittelpunkt“, betont Kreutzfeldt. Angeboten werden rund 2,5 Millionen Titel, darunter über 80 000 in deutscher Sprache.
Ähnlich wie bei Amazon werden diese auf einem Server bereitgehalten - damit lässt sich der jeweilige Lesefortschritt zwischen verschiedenen Geräten synchronisieren. Außerdem setzt Kobo auch auf den Austausch der Leser: Die Plattform Reading Live bietet den Kunden eine Art soziales Netzwerk.
Zwei Umstände sind es, die vielen E-Book-Lesern noch die Freude verwässern: Preis und restriktive DRM-Fesseln, welche das Lesen eines E-Books auf eine begrenzte Anzahl von Lesegeräten einschränken. Die Buchpreisbindung verhindert einen direkten Wettbewerb der E-Book-Shops über den Preis. Gleichwohl sind E-Books nach Angaben Kreutzfeldts im Schnitt 20 Prozent billiger als der selbe gedruckte Titel. Der Unterschied könnte noch etwas größer sein, wenn auch für E-Books der verminderte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent (statt 19 Prozent) gelten würde. „Die Buchbranche kämpft dafür, dass wir unabhängig vom Medium die verminderte Mehrwertsteuer auf die Inhalte haben“, sagt Buchmessen-Direktor Jürgen Boos.
Der Buchmessen-Chef erwartet auch beim DRM (Digital Rights Management) eine schrittweise Lockerung: „Zuerst versucht man, alles zu beschützen, dann löst sich das allmählich auf.“ Als mögliche Alternative bietet sich ein „digitales Wasserzeichen“ in E-Books an, das in halbtransparenter Schrift den Käufer vermerkt und diesen davon abhalten soll, illegale Kopien für alle Welt bereitzustellen. „Es gibt eine behutsame Bewegung von einigen Verlagen, sich von DRM zu entfernen“, sagt Kreutzfeldt. „Aber wenn Sie das mit der Musikindustrie vergleichen, sind wir da noch weit entfernt.“
Zusätzlichen Schwung erhofft sich Libri.de-Geschäftsführer Dalheimer von einem immer größeren Angebot an aktuellen Büchern zu einem attraktiven Preis. „Wenn wir ein Vollsortiment haben und die Preise runtergehen, dann explodiert das.“