Ein Deutscher soll Blackberry vor dem Untergang retten

Waterloo (dpa) - Der Mann sieht nicht aus wie 54. Thorsten Heins versprüht fast jugendlichen Charme, wenn man mit ihm spricht. Nur im Haar sind leichte graue Ansätze zu erkennen. „Ich bin begeistert von meiner neuen Aufgabe“, sagt der ehemalige Siemens-Manager und man glaubt es ihm.

Dabei hat er den wohl härtesten Job in der High-Tech-Branche angetreten: Er ist neuer Chef des Blackberry-Herstellers Research in Motion (RIM). Eine Mammutaufgabe. Der Marktanteil sinkt, die Geschäftszahlen fielen zuletzt reihenweise enttäuschend aus. Day Playbook, der erste Tablet-Computer von RIM ist ein teurer Ladenhüter - und bis erste Geräte mit dem hoffnungsvollen neuen Betriebssystem Blackberry 10 kommen, werden noch Monate vergehen. „Die Zeit arbeitet gegen RIM“, warnt Analystin Carolina Milanesi vom Marktforscher Gartner. Heins müsse entschieden das Steuer herumreißen, denn die Konkurrenz wie das weit verbreitete Android oder Apples iPhone drängten RIM in die Defensive.

Heins weiß um die Probleme. Er arbeitet seit 27 Jahren in der Kommunikationsindustrie. Er hat erlebt, wie das Handy seinen Siegeszug antrat, und er bekam am eigenen Leib mit, wie einst große Spieler von der Bildfläche verschwanden. Der Hannoveraner machte Karriere bei Siemens, bis der Industriekoloss sich entschied, aus dem harten Kommunikationsgeschäft auszusteigen. Da wanderte Heins vor gut vier Jahren nach Kanada aus zu RIM.

Das Smartphone-Geschäft fing damals an zu boomen und RIM war mit seinen Blackberrys ein Vorreiter. Vor allem bei Managern waren die E-Mail-Maschinen beliebt. Doch es war Neueinsteiger Apple, der mit seinem iPhone die Smartphones auch bei Privatleuten populär machte. Die Kunden standen vor allem auf den neuen Touchscreen, die Multimedia-Fähigkeiten und die vielfältige Welt der Apps. RIM hielt bei seinen Blackberrys an der klassischen Tastatur fest und bot nur eine bescheidene Auswahl an Smartphone-Anwendungen. Das ist einer der Fehler, die Kritiker dem Management ankreiden. Der Marktanteil des Blackberry sank zuletzt binnen eines Jahres von mehr als 15 auf 11 Prozent.

In seinen ersten Äußerungen vermied Heins aber eine Abrechnung mit dem Vorgänger-Duo aus Mike Lazaridis und Jim Balsillie. Er lobte die Innovationskraft von RIM und verwies auf den guten Stand in den aufstrebenden asiatischen Ländern, wo der Blackberry für viele Menschen das erste Smartphone überhaupt ist. Auch insgesamt sei die Lage für RIM nicht so düster wie vielfach beschrieben: „Es ist ein wachsender Markt“, betonte Heins im Gespräch mit der dpa. „In manchen Ländern sind wir Marktführer.“

Bei Gartner-Analystin Milanesi, einer der einflussreichsten Expertinnen auf ihrem Gebiet, schrillen hingegen die Alarmglocken. „Ich hoffe, dass er die Probleme nicht verneint“, sagt sie in einer ersten Reaktion am Montag. Die Lage bei RIM erinnere sie an die Situation bei Nokia vor ein paar Jahren, als der Weltmarktführer in einem „Weiter-so-Kurs“ gegen die neue Realität angesteuert habe. Nach stetig fallenden Marktanteilen verbündete sich Nokia schließlich mit Microsoft und verwendet nun dessen Windows-Phone-System.

Heins macht aber keinerlei Anstalten zu wechseln; er hält mit Nachdruck am kommenden Blackberry-10-System fest. Die eigentliche Herausforderung sieht der Deutsche ohnehin weniger auf der technischen Seite: „Wir müssen unser Marketing verbessern“, sagt der begeisterte Outdoor-Sportler. „Wir müssen mehr auf die Kunden zugehen.“ Im Oktober hatte ein tagelanger Ausfall der Blackberry-Dienste die Nutzer schwer verärgert, vor allem da zuerst nur spärlich Informationen flossen, was eigentlich los war.

Ein erstes Zeichen der neuen Nähe zu den Kunden setzte Heins, als er nur wenige Minuten nach seiner offiziellen Ernennung zum Telefonhörer griff und den Blogger Kevin Michaluk anrief, der hinter dem populären Blackberry-Nutzerportal Crackberry.com steckt. „Seitdem ich Crackerry.com 2007 gegründet habe, warte ich darauf, ein Interview mit den RIM-Chefs zu bekommen“, schrieb Michaluk sichtlich gerührt. „Mit Thorsten hat es buchstäblich in Minuten geklappt.“