Feature: GuttenPlag-Wiki schlägt Polit-Promi
Köln (dpa) - Er galt als Lichtgestalt der Politik. Karl-Theodor zu Guttenberg wurde schon als kommender Bundeskanzler gehandelt. Dann deckten Internetnutzer auf, dass „KT“ in seiner Doktorarbeit im großen Stil abgeschrieben hatte.
Akribisch trugen sie die Plagiate in einem Wiki zusammen.
Am Mittwoch wurde dieses Guttenplag-Wiki mit dem renommierten Grimme Online Award ausgezeichnet. „GuttenPlag war ein Projekt, das gezeigt hat, dass unter den richtigen Umständen auch ganz normale Bürger Probleme dokumentieren und dadurch auch gegen erheblichen Widerstand etwas bewegen können“, erklärt der Initiator, ein Doktorand, der weiter anonym bleiben möchte. Hinter der Erfolgsgeschichte steckt das Prinzip der Schwarmintelligenz. Was einer allein nicht schafft, wird durch die Arbeit vieler möglich.
„Da der Preis der Community gebührt“, habe er einen Ausdruck der Namen aller beteiligten Autoren dabei gehabt“, erklärt Tim Bartel, der den Grimme Online Award in Köln in Empfang nahm. Bartel ist der Deutschland-Verantwortliche für Wikia, einen Dienst, der die technische Infrastruktur des GuttenPlag-Wikis bereitstellte.
Mehr als 20 000 Autoren hätten sich an der Suche nach den Plagiaten beteiligt, erklärt Bartel. Als die großen Medien über das GuttenPlag-Wiki berichteten und dort immer mehr Fundstellen auftauchten, stieg der öffentliche Druck auf Guttenberg beinahe täglich - bis er zu groß wurde. Der schillernde Verteidigungsminister musste zurücktreten, weil ein Haufen namenloser Nutzer in Kleinstarbeit sein Fehlverhalten aufdeckte und öffentlich machte.
Das Projekt hat bereits Nachahmer: Auch die FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin gab alle politischen Ämter auf, nachdem das VroniPlag-Wiki sie des Abschreibens überführt hatte.
Was kommt noch? „GuttenPlag ist in meinen Augen ein Projekt mit einem klaren Ende“, sagt der Gründer. „Was danach kommt, ist noch nicht ganz genau definiert. Aber es wird etwas kommen.“ Methodik und Werkzeuge für die Suche nach Plagiaten würden derzeit noch verbessert.
Aber auch das ist eine Eigenschaft des „Schwarms“: Er wird nicht zentral gesteuert, niemand bestimmt. Seine Aufmerksamkeit bewegt sich spontan von einem Brandherd zum nächsten. Wer weiß, wen er sich als nächsten vornimmt?
Hellhörig dürften die prominenten Doktoren des Landes sein. „Die Diskussion über Plagiate hat generell die Sensibilität gegenüber wissenschaftlichem Fehlverhalten erhöht“, findet PlagDoc, wie sich der GuttenPlag-Betreiber im Chat einer Online-Pressekonferenz am Morgen nach der Preisverleihung nennt. Auch die Unis müssen sich unangenehme Fragen stellen. Bartel sagt: „Guttenberg war ein Fall, der im wahrsten Sinne des Wortes Maßstäbe gesetzt hat.“