Generation Selfie feiert ihre YouTube-Idole
Bremen (dpa) - Drei Stunden Anstehen für ein Selfie mit einem YouTube-Star? Kein Problem, finden Anna Lena und Rebecca, 15 und 17 Jahre alt.
Dass es in der Halle 7 der Bremer ÖVB-Arena stockduster, heiß und stickig ist und die Mädchen hier seit mehreren Stunden dicht gedrängt in einer Warteschlange ausharren, nur um ihren Vorbildern aus dem Netz für wenige Sekunden nahe zu sein - all das lässt ihre Begeisterung nicht schrumpfen.
Der langersehnte Moment ist dann sehr kurz. Das „Ganz nah dran“-Gefühl dauert fünf Sekunden, YouTube-Star Bibi nimmt routiniert das Smartphone der Mädchen in die Hand, lächelt in die Kamera, drückt den Auslöser. Im Hintergrund des Selfies sind die beiden Mädchen zu sehen, vorne Bibi, dazwischen ein Gitter. Dann heißt es: Bitte weitergehen, zum Tisch des nächsten YouTubers. Wieder der gleiche Ablauf, tausendfach. Autogrammkarten haben hier die wenigsten Teenie-Idole. Sie werden vom Selfie abgelöst.
Dennoch fühlen sich Anna Lena und Rebecca ihrer Bibi ganz nah. „Ich mag einfach ihre natürliche Art“, sagt Rebecca. Die YouTuber sind die Popstars von heute. Die Generation zwischen zehn und 16 Jahren ist kaum noch an Fernsehen und Jugendmagazinen interessiert, ihre Welt sind YouTube und die Sozialen Netzwerke wie Instagram, Twitter und Facebook. Angesichts Millionen treuer Anhänger in diesem Alter, die medial über andere Kanäle nicht mehr erreichbar sind, ist auch die Werbeindustrie hellhörig geworden und hat die YouTuber für sich entdeckt. Sie treten in Werbespots für Kosmetik und Telekommunikation auf oder werden zu Markenbotschaftern.
Das hat zur Folge, dass die erfolgreichen YouTuber heute mit professionellen Managements und Verträgen ausgestattet sind und je nach Bekanntheit und Reichweite richtig viel Geld verdienen. Bibi ist die unbestrittene Königin hier in Bremen: Auf ihrem Kanal folgen der 22-Jährigen rund 2,4 Millionen Abonnenten. Klicks und Reichweite sind die Charts der neuen Zeit.
Bei ihren Fans pflegen die Stars das Image, das sie zu Beginn der YouTube-Ära hatten: Videos aus dem Kinderzimmer, Umarmungen für die Kids, die sich mit ihren Idolen identifizieren können, als säße die beste Freundin vor der Kamera. Dabei klicken inzwischen oft mehrere Millionen auf die Clips, die Bibi oder die Lochis hochladen. Das sind Reichweiten, von denen manche TV-Sender nur noch träumen können. Der Inhalt scheint meistens eher banal, trifft aber genau den Nerv der Zielgruppe: Schmink- und Stylingtipps, sogenannte Tutorials, für die Mädchen, Computerspiele für die Jungen.
Dass er mit Videospielen eines Tages Geld verdienen würde, hat auch „mrmoregame“ alias Pascal aus Bremen-Nord nicht gedacht. Mit knapp 400 000 Abonnenten auf seinem YouTube-Kanal gehört er zu den mittelgroßen YouTubern. „Ich sehe mich immer noch als normalen Typen“, sagt er, während er im dunklen Kapuzenpulli Selfies schießt. Daran, dass er immer öfter auf der Straße erkannt wird, hat er sich noch nicht gewöhnt. Als er angefangen habe, hätten seine Eltern gesagt: „Was willst Du mit diesem albernen Kram?“. Inzwischen sind die Kritiker verstummt, seine abgeschlossene Ausbildung als Fachkraft für Lagerlogistik hat er zwar in der Tasche, lebt aber vom YouTube-Kanal.
Leicht verdientes Geld ist das allerdings nicht. Täglich bis zu drei Videos stellt er online, mehr als 3000 sind es inzwischen schon. „Eigentlich macht man den ganzen Tag nichts anderes mehr“, sagt er. Das größte Ziel, das er sich zu Beginn seiner Karriere gesetzt habe, sei erreicht: „Einfach die Leute gut zu unterhalten“.