Hackerkongress: Strategien fürs Überleben in der Datenflut
Hamburg (dpa) - Für eine Verteidigung von Persönlichkeitsrechten in der digitalen Gesellschaft haben sich die Teilnehmer des größten Hackerkongresses in Deutschland stark gemacht.
Eine wachsende Zahl von Entscheidungen werde in der daten-getriebenen Gesellschaft nicht mehr von Menschen, sondern von Maschinen getroffen, warnte der Physiker Andreas Dewes. „Es ist Zeit, unseren neuen Chef zu grüßen - den Algorithmus“, also Befehlsketten für die Verarbeitung von massenhaft erhobenen Daten.
Dabei findet die Erhebung der Daten zunehmend automatisiert und ohne jede Kenntnis der Betroffenen statt. Bei Facebook treffe dies auf etwa 90 Prozent der Daten zu, sagte der österreichische Datenschutzaktivist Max Schrems der Deutschen Presse-Agentur. Facebook habe auf diese Weise „Schattenprofile“ von Personen angelegt, die gar nicht Mitglied der Online-Plattform seien.
„Wir brauchen viel mehr Aufklärung und Bildung“, forderte Schrems, der mit seiner Klage vor dem Europäischen Gerichtshof das Safe-Harbor-Abkommen zur Datenübermittlung zwischen der EU und den USA gekippt hat. „Es kann nicht sein, dass wir den Kindern in der Grundschule das Häkeln und Stricken beibringen - ihnen aber nicht erklären, wie ein Computer oder Server funktioniert.“
Um die Erfassung von Daten zu reduzieren, haben Hacker eine Reihe von Instrumenten entwickelt, die auf dem Kongress des Chaos Computer Clubs (CCC) in Vorträgen und Workshops behandelt wurden. Zu den bekanntesten Möglichkeiten gehört das Tor-Projekt für die anonyme Nutzung von Web-Angeboten.
Das Tor-Netzwerk leitet den Aufruf einer Internet-Adresse im Browser über mehrere dazwischen geschaltete Server, so dass nicht mehr festgestellt werden kann, wer sich für eine bestimmte Webseite interessiert. Dabei werden die Datenpakete verschlüsselt weitergegeben. Weltweit nutzen mehr als zwei Millionen Menschen den Dienst - nach der Veröffentlichung der Enthüllungen des ehemaligen US-Gemeindienstmitarbeiters Edward Snowden waren es zeitweise mehr als fünf Millionen gewesen. Nach jüngsten Daten steht Deuschland mit mehr als 200 000 Nutzern nach den USA und Russland an dritter Stelle. Das Tor-Netzwerk umfasst rund 7000 Server in aller Welt.
Die Tor-Aktivisten um den in Berlin lebenden Software-Entwickler Jakob Appelbaum kündigten an, die Nutzung der Technik zu vereinfachen, um mehr als bisher die breite Öffentlichkeit dafür zu gewinnen. Als besonderen Schwerpunkt der Weiterentwicklung nannte Applebaum den Tor-Messenger für das anonyme Chatten. Diese Software könne Regimegegner in Staaten mit massiver Überwachung der Internet-Nutzung vor Verhaftung oder Mord bewahren, sagte Applebaum. Der Tor-Messenger ermögliche die Weiternutzung von bereits angemeldeten Messenger-Diensten mit dem Jabber-Protokoll.
Neben der Datenflut war auch die Müllflut ein Thema auf dem Hacker-Kongress. Der Karlsruher Experte Christian Lölkes warnte, dass der von 3D-Druckern erzeugte Plastikmüll zu einem zunehmenden Problem für die Umwelt werde. Fünf bis zehn Prozent aller 3D-Druckerzeugnisse seien Ausschuss und wanderten auf den Müll. Angesichts der lebensgefährlichen Bedrohungen etwa für Seevögel müssten dringend Strategien entwickelt werden, um den 3D-Drucker-Müll zu reduzieren. In jüngster Zeit haben Naturschützer eindringlich vor den Gefahren von nicht abbaubaren Kunststoffen in den Ozeanen gewarnt.
Lölkes zitierte Schätzungen von Marktforschern, wonach die Zahl der weltweit verkauften 3D-Drucker im nächsten Jahr von 200 000 auf 500 000 steigen wird. Wegen der geringen Einstiegspreise von inzwischen rund 500 Euro nehme die private Nutzung der Technik deutlich zu.