Tempo hochschrauben Intel kauft israelischen Roboterwagen-Zulieferer Mobileye
Tel Aviv (dpa) - Intel will die Zukunft des Autos mitgestalten und kauft den Zulieferer Mobileye, der Roboterwagen das Sehen beibringt. Der amerikanische Chip-Gigant zahlt für das Start-up aus Jerusalem insgesamt 15,3 Milliarden Dollar.
Mobileye stellt mit seinen Kameras die Augen für heutige Assistenzsysteme und künftige selbstfahrende Autos. Zudem entwickelt die israelische Firma ein Steuersystem, das Signale verschiedener Sensoren verarbeitet. Intel wird damit wichtiger für die Autobranche und könnte viel stärker als bisher bei der Entwicklung von Fahrzeugen der Zukunft mitmischen.
Intel und Mobileye kooperierten bereits unter anderem bei der Entwicklung der Roboterwagen von BMW, die zum Jahr 2021 auf die Straße kommen sollen. Dabei stellt Mobileye große Teile der Roboterwagen-Technologie rund um die Erfassung der Umgebung und Intel die Rechenleistung. Zusammen mit dem weiteren Zulieferer Delphi kündigten die beiden Partner zudem ein günstiges System zum autonomen Fahren „für einige tausend Dollar“ an, das allen Herstellern angeboten werden solle. Außerdem kooperiert Mobileye mit dem Kartendienst Here der deutschen Autobauer Daimler, Audi und BMW.
Intel wird nach der Übernahme seine Entwicklung von Systemen für selbstfahrende Autos bei Mobileye in Israel einbringen. „Unser Ziel ist es, zum führenden Team beim autonomen Fahren zu werden“, betonten Intel-Chef Brian Krzanich und Mobileye-Mitgründer Amnon Schaaschua. Mit dem Zusammenschluss könne man Kameras, Steuersysteme mit Chips sowie Rechen- und Speicherkapazität in Rechenzentren aus einer Hand anbieten.
Intel und Mobileye treten gegen eine Vielzahl von Konkurrenten an: Diverse Hersteller, große Zulieferer wie Bosch und Continental sowie Tech-Unternehmen wie die Google-Schwesterfirma Waymo arbeiten ebenfalls an Systemen fürs autonome Fahren. Krzanich sieht aber eine klare Marktchance: „Wir gehen davon aus, dass nicht jeder in der Lage sein wird, eigene Technologie zu entwickeln.“ Durch den Zusammenschluss mit Intel könne man das Tempo hochschrauben und die Risiken drücken, betonte Schaaschua, der bei Mobileye weitermacht.
In der Autobranche gibt es verschiedene Konzepte dafür, wie Roboterwagen ihre Umgebung erkennen sollen. Unter anderem die Google-Schwesterfirma Waymo und Ford setzen auf rotierende Laser-Radare, die das Umfeld abtasten. Andere Hersteller planen mit einer Kombination aus Radar-Sensoren und Kameras - und hier kommt Mobileye ins Spiel. Das israelische Start-up rüstete ursprünglich auch Teslas Fahrassistenten Autopilot mit seinen Kameras aus, beendete jedoch die Zusammenarbeit mit dem Elektroauto-Hersteller nach einem tödlichen Unfall im vergangenen Jahr.
Die Mobileye-Übernahme ist der nächste Schritt im Vormarsch von Tech-Firmen in die Autobranche. Erst vergangene Woche schloss Samsung den Kauf des Elektronik-Ausrüsters Harman für rund acht Milliarden Dollar ab. Intel beschleunigt mit der Übernahme seine Neuausrichtung. Das PC-Geschäft, in dem Intel mit seinen Prozessoren dominiert, ist in den vergangenen Jahren drastisch geschrumpft. Und obwohl es zuletzt Zeichen von Erholung gab, wird es nie wieder so groß wie früher.
Im boomenden Smartphone-Geschäft konnte der Konzern nie Fuß fassen, es wird von Technologie des britischen Chip-Entwicklers ARM beherrscht. Intel setzt in dieser Situation stärker auf das Geschäft mit Chips für Rechenzentren. Als neue Geschäftsbereiche erschließt Intel den Markt für vernetzte Geräte im Internet der Dinge sowie Drohnen unter anderem mit dem Kauf der deutschen Firma Ascending Technologies.
Die Übernahme ist der bisher größte Deal in der israelischen Tech-Industrie. Intel ist bereit, für Mobileye tief in die Tasche zu greifen: Der Kaufpreis von 63,54 Dollar pro Aktie bedeutet einen Aufschlag von gut einem Drittel auf den Schlusskurs vom Freitag. Zugleich erhoffen sich die Partner mit der Zeit Einsparungen von 175 Millionen Dollar pro Jahr durch das Zusammenlegen von Forschungsaktivitäten.
Der Kaufbetrag werde in Bar aus Intels Geldreserven außerhalb der USA bezahlt, sagte Krzanich in einer Telefonkonferenz. Viele US-Unternehmen - wie zum Beispiel Apple - bringen ihre Auslandsgewinne nicht ins Heimatland, weil dort darauf ein Steuersatz von rund 35 Prozent fällig wird.