iPhone-4S-Test: Das Smartphone gehorcht dank "Siri" aufs Wort
Berlin (dpa/tmn) - Beim neuen iPhone 4S zählen die inneren Werte. Äußerlich unterscheidet sich das neue Smartphone von Apple kaum von seinem Vorgänger. Technisch wurde das iPhone aber komplett erneuert.
Spektakulär ist vor allem die neue Spracherkennungsfunktion Siri.
Für Angeber, die im Café oder an der Bar stets mit dem neuesten Smartphone-Modell Eindruck schinden wollen, wird das neue iPhone 4S wenig attraktiv sein. Man muss schon einen Blick für technische Details wie das neue Antennen-Layout haben, um das neue Smartphone überhaupt vom Vorgängermodell iPhone 4 unterscheiden zu können. In der vertrauten gläsernen Schale steckt aber ein neuer Kern. Apple hat wesentliche Hardware-Komponenten erneuert und dem iPhone eine neue Software mit interessanten Funktionen verpasst. Dabei ragt vor allem die Spracherkennung Siri heraus, die auch im Vergleich mit dem Google-System Android neue Maßstäbe setzt. Die dpa-Themendienst-Redaktion hat das Modell angeschaut und ausprobiert.
Angetrieben wird das iPhone 4S von dem Doppelkern-Prozessor A5, der bislang nur im iPad2 zu finden war. Damit läuft der Hauptchip im neuen Smartphone deutlich schneller als der A4-Chip im iPhone 4. In Benchmark-Tests liegt das 4S nun knapp hinter dem iPad 2, vermutlich weil der Chip im iPhone zugunsten einer längeren Akkulaufzeit mit einer etwas geringeren Taktfrequenz läuft als der A5 im iPad 2.
In der Praxis spürt man den Leistungszuwachs schon beim Einschalten des Geräts. Während das iPhone 4 für einen Kaltstart noch 48 Sekunden benötigt, ist sein Nachfolger bereits nach 30 Sekunden einsatzbereit. Auch größere Anwendungen wie die Navigations-App von TomTom starten spürbar flotter. Bei der Grafik legt das iPhone 4S noch deutlicher zu. Apple sagt, die Grafikleistung falle um bis zu siebenmal höher aus als beim iPhone 4. Diese Größenordnungen bestätigen sich in ersten Praxistests.
Das iPhone spielt - auch was die Grafik angeht - jetzt in der Liga des iPad 2. Davon werden vor allem 3D-Spiele profitieren, die nun noch viel detailreicher programmiert werden können. Die ersten Besitzer eines iPhone 4S werden sich aber noch etliche Wochen gedulden müssen, bis diese verbesserten Games tatsächlich im iTunes-Store auftauchen werden, denn die Anwendungen müssen erst noch geschrieben werden.
Die höhere Leistung des neuen iPhone trägt dazu bei, dass sich die Akku-Laufzeit des iPhone 4S im Vergleich zum Vorgängermodell nicht verbessert. Lässt man ein Video ununterbrochen laufen, ist der Saft nun nach elf Stunden alle. Das iPhone 4 hatte noch zwölf Stunden lang ausgehalten. Leider ermöglicht Apple nun nicht mehr, den UMTS-Modus abzuschalten, wenn man beispielsweise auf einer längeren Bahnfahrt empfangsbereit sein und trotzdem Strom sparen möchte.
Abhaken können iPhone-Anwender jetzt die Antennen-Problematik. Beim iPhone 4 brach (wie auch bei anderen Smartphones) die Anzeige der Feldstärke des Empfangssignals ein, wenn man das Gerät mit der Hand vollständig umklammert. Das neue iPhone ist nun mit zwei Antennen ausgestattet, das System wechselt dabei automatisch auf die Antenne mit dem besten Empfang.
Deutlich verbessert wurde die eingebaute Kamera, die nun über eine fünfte Linse und einen lichtempfindlicheren 1/3-Zoll-Sensor verfügt. Bei genügend Umgebungslicht macht das iPhone 4S nun so gute Fotos, das manche Hersteller von Kompaktkameras um ihr Geschäft fürchten müssen. Weniger überzeugend sehen die Blitzaufnahmen aus. Die Kamera-Funktion lässt sich am Sperrbildschirm direkt aufrufen, um schneller für einen Schnappschuss bereit zu sein. Videos werden nun in Full-HD (1080p) aufgenommen. Die starke Rechenleistung des iPhone 4S ermöglicht dabei, mit einem Bildstabilisator das Verwackeln des Videos spürbar zu verringern.
Die eigentliche Innovation des iPhone 4S hat Apple mit Software umgesetzt, die Spracherkennung und Sprachbedienung Siri. Man kann das Smartphone fragen: „Brauche ich am Mittwochnachmittag in München einen Regenschirm?“ Das Gerät sendet leitet die Sprachdatei an einen Großrechner in der Internet-Wolke. Dort wird der Text der Anfrage erkannt und interpretiert, das Ergebnis wird auf das iPhone zurückgespielt. „Es wird wahrscheinlich regnen an diesem Nachmittag“, lautet die Antwort, die wenige Sekunden nach der Frage auf dem Bildschirm erscheint und vorgelesen wird.
„Siri kann man in so gut wie allen Abteilungen einsetzen“, sagt Michael Spehr, Technikredakteur der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und Experte für Spracherkennungssoftware. „Es lassen sich Termine planen, Erinnerungen und Notizen eintragen, im Web oder auf der Wikipedia suchen, und wenn man das Gebotene zusammenfasst, ist das iPhone 4S das erste Smartphone, mit dem man sich in natürlicher Sprache unterhalten kann.“
Siri kann auf Deutsch derzeit (noch) nicht alles, was das System auf Englisch beherrscht, etwa Anfragen bei der Wissensdatenbank WolframAlpha (die auch im Web nur auf Englisch verfügbar ist) oder die Steuerung der Navigation der mitgelieferten Kartenanwendung. Auf Englisch kann Siri - etwa im Auto - auch neue E-Mails vorlesen, auf Deutsch werden bislang nur SMS in gesprochene Sprache umgewandelt. Da auf Siri deutlich das Label „Beta“ klebt, können Anwender eines iPhone 4S aber damit rechnen, dass die Funktionen nach und nach ausgebaut werden.
Für Thomas Heuzeroth, Fachredakteur der Tageszeitung „Die Welt“, ist der Sprachassistent Siri „das gewichtigste Argument für den Kauf eines iPhone 4S“. Leider habe Siri auch eine große Schwäche: „Spracherkennung und Sprachbefehle funktionieren nur, wenn eine Internetanbindung besteht.“
Stephan Ehrmann, Chefredakteur der Fachzeitschrift „Mac & i“ glaubt, dass Apple in dem neuen Smartphone einen großen Schritt gemacht hat: „Das iPhone 4S hat bis auf den Namen und ein anderes Gehäuse alles, was man vom iPhone 5 erwartet hat: mehr Leistung, mehr Speicher, eine deutlich bessere Kamera. Die Spracherkennung Siri ist für die Smartphone-Entwicklung und Apples Position im Markt aber viel wichtiger. Sie könnte den nächsten Paradigmenwechsel einläuten, wie zuvor schon die Multitouch-Bedienung.“
Matthias Kremp, Fachredakteur bei „Spiegel Online“, glaubt, dass das iPhone 4S für Besitzer eines älteren Modells interessanter ist als für Leute, die schon ein iPhone 4 haben. „Sicher, die Kamera ist deutlich besser, der sprachgesteuerte Assistent Siri eine reizvolle Ergänzung. Den Neukauf nach nur einem Jahr rechtfertigen beide nicht.“ Kremp empfiehlt den iPhone-4-Anwendern das Update auf das am Mittwoch veröffentlichte iOS 5. „Mit der neuen Software wird ihr Handy zu einem iPhone 4S light.“
Helmut Martin-Jung von der „Süddeutschen Zeitung“ meint: „Es ist also ein weiteres Mal die Mischung aus ansprechender und leistungsfähiger Hardware sowie einem sehr komfortabel nutzbaren Netzwerk aus Diensten, die das iPhone von der Konkurrenz abhebt. Das lässt sich Apple fürstlich bezahlen.“ Das iPhone 4S mit 16 Gigabyte Speicher kostet 630 Euro, mit 32 Gigabyte Speicher verlangt Apple 739 Euro. Das neue Top-Modell mit 64 Gigabyte liegt bei 850 Euro.