LinkedIn mehr wert als Lufthansa

New York (dpa) - So sieht wahres Understatement aus: „Es ist ein aufregender Tag für uns“, sagte LinkedIn-Chef Jeff Weiner mit gelangweilten Gesichtsausdruck auf dem Parkett der altehrwürdigen New York Stock Exchange am Donnerstag.

Gerade waren die Aktien des weltgrößten beruflichen Online-Netzwerks an der Börse gestartet - und hatten ihren Wert mal eben verdoppelt, von 45 Dollar auf gut 90 Dollar. Nur zwei Stunden später waren es schon 122 Dollar. In diesem Moment war die kleine Internetfirma insgesamt annähernd 12 Milliarden Dollar wert.

Diese 12 Milliarden Dollar sind umgerechnet gut 8 Milliarden Euro. Das ist mehr als die - zugegebenermaßen krisengeschüttelte - Commerzbank auf die Waage bringt (5 Milliarden Euro) oder eine Lufthansa derzeit an der Börse kostet (7 Milliarden Euro). Man könnte auch fast den Persil-Hersteller Henkel (9 Mrd Euro) dafür kaufen oder gleich zweimal den Sportartikel-Produzenten Puma (3 Mrd Euro). Und das sind alles Konzerne, die zu den größten in der Bundesrepublik gehören.

Nun kommt also diese kleine US-Internetfirma, die nur eine Kontakt-Plattform bietet, und spielt die etablierten Konzerne zumindest beim Börsenwert an die Wand. Was hat LinkedIn, was andere nicht haben? Die Geschäftszahlen können es nicht sein. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete das Unternehmen gerade mal einen Umsatz von 243 Millionen Dollar und einen mageren Gewinn von 15 Millionen Dollar. Davor schrieb LinkedIn sogar Verluste.

Es könnten die unzähligen Kontakte sein, für die die Investoren so tief in die Tasche greifen. Über LinkedIn sind weltweit mittlerweile mehr als 100 Millionen Menschen miteinander verbunden. Anders als bei Facebook oder MySpace geht es dabei um berufliche und nicht private Anbahnungen. Besonders für die Werbeindustrie ist LinkedIn ein Schlaraffenland. Kaum anderswo geben die Menschen so viele für sie relevante Daten von sich preis.

Die Investoren rechnen damit, dass LinkedIn in den kommenden Jahren gewaltig wächst und die Einnahmen sprudeln - nur so ist auch der gigantische Kurssprung zu erklären. Die Flut an Kaufbegehren war so groß, dass die Aktie verspätet in den New Yorker Handel startete. Ein solch aufregendes Börsendebüt hatte schon lange kein bekanntes Unternehmen mehr hingelegt.

Viele Beobachter fühlen sich mittlerweile schon wieder an die Dotcom-Blase vor mehr als einem Jahrzehnt erinnert. Auch damals waren die Kurse vor allem von Internetfirmen explodiert - ohne dass aber ein wirkliches Geschäft dahinter stand. Mittlerweile haben zumindest einige Konzerne wie Google bewiesen, dass sich im Internet sehr wohl viel Geld verdienen lässt.

Auch andere Internetfirmen nutzen die gute Stimmung aus: Sowohl das Online-Netzwerk Facebook mit rund 600 Millionen Mitgliedern weltweit als auch das Schnäppchen-Portal Groupon sicherten sich jeweils hunderte Millionen Dollar bei Investoren abseits der Börse. Beide Unternehmen erwägen, ebenfalls aufs Parkett zu gehen. Bei Facebook schwirren mittlerweile Bewertungen von 60 Milliarden Dollar und mehr durch den Raum. Soviel sind der deutsche Versicherungsriese Allianz oder der Energiekoloss Eon derzeit an der Börse wert.

Die Milliarden aus dem LinkedIn-Börsengang fließen vor allem Mitgründer Reid Hoffman sowie einer Reihe von Finanzinvestoren zu. Hoffmann könnte sich jetzt einerseits ärgern, dass er seine LinkedIn-Papiere zu billig verkauft hat. Auf der anderen Seite hält er immer noch ein großes Aktienpaket. Angewiesen auf das Geld ist Hoffmann ohnehin nicht: Er hat schon beim Verkauf des Online-Bezahldienstes PayPal an Ebay einen Reibach gemacht.

Selbst der größte Konkurrent von LinkedIn darf heute jubeln: Das ist Xing aus Hamburg mit mehr als 10 Millionen Mitgliedern, rund 4,5 Millionen davon im deutschsprachigen Raum. Xing war schon im Dezember 2006 an die Börse gegangen. Seitdem LinkedIn aber die Aufmerksamkeit auf die sozialen Netzwerke lenkt, steigt und steigt der Kurs, am Donnerstag um satte 10 Prozent. Mit knapp 300 Millionen Euro ist Xing aber immer noch nahezu ein Schnäppchen.