Microsoft hat kein Glück mit Online-Geschäften
Berlin/Redmond (dpa) - Die Wette ging daneben: Als Microsoft 2007 den Marketing-Spezialisten Aquantive für 6,3 Milliarden Dollar gekauft hat, wollte der Software-Marktführer dem mächtigen Internet-Rivalen Google endlich erfolgreich Paroli bieten.
Jetzt musste die Geschäftsführung in Redmond bei Seattle eingestehen: „Die Übernahme hat das Wachstum nicht in dem erwarteten Ausmaß beschleunigt.“ Microsoft schreibt in seinen Büchern fast den gesamten Wert von Aquantive ab, 6,2 Milliarden Dollar.
Im Werbegeschäft mit seiner Suchmaschine Bing kommt Microsoft kaum voran. In den USA hat Google bei der Internet-Suche nach jüngsten Zahlen der Analysefirma comScore einen Marktanteil von 66,5 Prozent - im Vergleich zu den 15,4 Prozent von Microsoft und 13,5 Prozent von Yahoo. Beide haben 2009 eine enge Zusammenarbeit vereinbart. In Europa ist die Google-Dominanz noch deutlicher. „Yahoo und Bing konnten sich bis heute in Deutschland nicht durchsetzen“, erklärt Christian Vollmert, Geschäftsführer der luna-park GmbH in Köln und Leiter der „Unit Search“ beim Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW).
Mit dem Kauf von Aquantive verband Microsoft-Boss Steve Ballmer große Ziele. Im Oktober 2007 kündigte er an, dass die Einnahmen aus der Online-Werbung in wenigen Jahren einen Umsatzanteil von 25 Prozent erreichen würden. „Alle Medien werden digital, die ganze Werbung wird digital“, sagte Ballmer.
Die Prognose ging daneben: Im dritten Quartal des laufenden Geschäftsjahrs, abgeschlossen Ende März, machte Microsoft gerade einmal 707 Millionen Dollar Umsatz im Geschäft mit Online-Marketing - das sind 4,1 Prozent vom Gesamtumsatz. Die entsprechende Abteilung Online Services Division (OSD) umfasst die Geschäfte mit der Suchmaschine Bing, dem Portal MSN und der Werbeplattform adCenter. Der Geschäftsbereich ist im Unterschied zum Konkurrenten Google nicht profitabel - im dritten Quartal fiel ein Verlust von 479 Millionen Dollar an.
An dem allgemeinen Trend zur Online-Werbung zweifelt niemand. Aber die Werbewirtschaft schaut auch sehr genau hin, wohin sie ihr Geld steckt und was sie dafür zurückbekommt. Wenn Werbung von Internet-Nutzern schlicht ignoriert oder ohne Hinschauen weg geklickt wird, ist die Investition nichts wert. So beklagen nach Angaben des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) 85 Prozent der online werbenden Unternehmen, „dass keine ausreichenden Leistungsnachweise für digitale Medien vorhanden sind“.
Und die Werbewirtschaft prüft sehr genau, welche Art der Online-Werbung für die jeweilige Kampagne am besten geeignet ist. Das Analyse-Unternehmen ZenithOptimedia schätzt das weltweite Online-Werbe-Volumen für dieses Jahr auf 88,7 Milliarden Dollar mit einem Suchmaschinen-Anteil von 49,4 Prozent. Die klassische Display-oder Bannerwerbung wächst aber schneller - das liegt vor allem an der zunehmenden Werbung in Sozialen Netzwerken wie Facebook und in Internet-Videos.
Allerdings musste sich auch Facebook zu seiner Börseneinführung im Mai kritischen Fragen nach seiner Wirksamkeit als Werbeplattform stellen. Suchmaschinenwerbung habe den Vorteil, dass Streuverluste sehr gering seien, sagt der Yahoo-Geschäftsführer Heiko Genzlinger. Die Umstellung auf den gemeinsamen Marktplatz von Yahoo und Microsoft sei in Deutschland gerade erst in der vergangenen Woche erfolgt. „Es herrscht eine Art Aufbruchsstimmung.“ Bei Microsoft selbst klingt das in der Mitteilung zur Abschreibung des Aquantive-Werts weniger optimistisch: „Die Erwartungen des Unternehmens für künftiges Wachstum und Profitabilität sind niedriger als zuvor geschätzt.“
„Suchmaschinen-Marketing ist und bleibt ein wesentlicher Bestandteil jeglicher digitaler Werbeplanung“, bestätigt Lothar Prison von der Mediaagenturgruppe VivaKi. „Das Wachstum dieses Segments in Deutschland flacht allerdings langsam ab, da der Markt erschlossen ist.“ Künftig werde die Werbung bei Suchmaschinen verstärkt im Wettbewerb mit Sozialen Netzwerken stehen. „Es ist zu erwarten, dass Facebook in den nächsten Monaten einen starken Fokus auf die Monetarisierung durch Werbeeinnahmen legen und damit in den Wettbewerb zu Google & Co. treten wird.“