Nahles stellt sich Fragen der re:publica-Besucher
Berlin (dpa) - Wie sieht die Arbeitswelt in Zeiten von Industrie 4.0 aus? Der Diskussion auf der re:publica in Berlin hat sich auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles gestellt.
„Dass nicht alles so bleiben wird wie es ist, ist - glaube ich - ziemlich klar“, sagte Nahles. Es müssten nun alle Beteiligten darüber verhandeln, wohin die Reise gehe. Den „Katastrophenalarm“, den etwa viele aktuelle Studien verbreiten, wolle sie selbst aber nicht wiederholen. Es gehe viel eher darum, Kompromisse zu finden.
Unter anderem beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar war eine Studie veröffentlicht worden, wonach in den kommenden Jahren fünf Millionen Arbeitsplätze durch Vernetzung und Automatisierung in der Industrie 4.0 vernichtet werden könnten. Andere Studie sagen einen Verlust von bis zu 50 Prozent der Arbeitsplätze voraus. Die Prognosen werden jedoch vielfach als zu vage und teils aus der Luft gegriffen kritisiert.
Doch als gewiss gilt, dass sich die Arbeit voraussichtlich radikal verändert, wenn Arbeitsbereiche immer mehr durch Softwarelösungen automatisiert oder Fertigung und Dienstleistungen von intelligenten Maschinen und Robotern übernommen werden können. Nahles forderte deshalb ein Recht auf Weiterbildung, die die Arbeitnehmer fit für die Transformation machen könne - „ohne den Apokalyptikern damit Recht geben zu wollen“.
Auch ausgebildete Arbeitnehmer müssten sich weiterbilden können. Bei Bosch gebe es etwa ein Modellprojekt, bei dem über Weiterbildungsmodule die Arbeitnehmer an Arbeiten der Zukunft herangeführt würden. „Dafür müssen wir die nächsten Jahre in den Betrieben werben.“
Nahles sagte, sie habe darauf gedrungen, dass die Arbeitsministerin überhaupt an der Digitalen Agenda beteiligt sei. „Wir sind erst seit letztem Jahr dabei.“ Im Grünbuch Arbeiten 4.0 habe ihr Ministerium eine breite Debatte angestoßen und Orientierungsräume geschaffen, darunter über Wahlarbeitszeit, intelligente Lösungen für Selbstständige, und bessere Finanzierung von Start-ups in der zweiten Entwicklungsphase. Das Ergebnis werde als Weißbuch im Herbst vorliegen.
Auf der re:publica stehen noch bis einschließlich Mittwoch die Herausforderungen in der digitalen Welt zur Diskussion. Auch die Media Convention ist mit einem eigenen Vortragsprogramm vertreten.
Mehrere Debatten am Dienstag beschäftigten sich mit der Flüchtlingskrise und der Problematik mit Hasskommentaren im Internet. Der Rechtsphilosoph Ino Augsberg von der Universität Kiel warnte davor Entscheidungskompetenzen in Sachen Hate Speech an private Unternehmen übertragen. „Die Verlagerung der Prüfungskompetenz darüber, ob eine zulässige Meinungsäußerung vorliegt, an ein privates Unternehmen wie Facebook, ist hochproblematisch“, sagte er.
„Das müsste ein Rechtsstaat, das müsste gegebenenfalls ein Parlament entscheiden und nicht eine nicht-öffentliche Arbeitsgruppe“. Für ihn sei der Weg richtig, „Sonderstaatsanwaltschaften gegen Cyberkriminalität einzurichten, die gezielt geschult sind, die strafrechtlichen Maßstäbe anzuwenden.“ Vorgestellt wurde zudem die Europarat-Kampagne „No Hate Speech“. Ihr Ziel ist, Hassreden im Netz „in aller Form“ zu bekämfen und Opfer zu schützen und zu stärken.
Für den syrischen YouTuber Firas Alshater (25) sind Toleranz, Geduld - aber auch Humor - Schlüssel zur Integration. „Alle Menschen lachen in derselben Sprache“, sagte er. „Humor ist der beste Weg, um das Herz der Menschen zu öffnen.“ Alshater gilt als der erste Flüchtling hierzulande mit einem YouTube-Kanal. Mit seinen Video „Wer sind diese Deutschen?“ landete er Anfang des Jahres einen enormen Erfolg. Ein großes Problem sei die Bürokratie in Deutschland, sagte Alshater. „Ich kenne einen Flüchtling, der seit sechs Jahren auf seine Aufenthaltserlaubnis wartet. Wie soll da Integration gelingen?“
Die Soziologin und Migrations-Expertin Saskia Sassen von der Columbia-University kündigte dramatische Veränderungen an. So werden etwa der Klimawandel ganze Migrationswellen in Bewegung setzen, da beispielsweise durch den steigendenden Meeresspiegel und die Versteppung Teile der Erde unbewohnbar würden.
Die re:publica wurde 2007 von den Gründern der Blogs netzpolitik.org und Spreeblick ins Leben gerufen. Bis Mittwochabend wurden 8000 Besucher in Berlin erwartet.