Politik beschließt Leitlinien zur Netzneutralität
Berlin (dpa) - Die Internet-Enquete-Kommission des Bundestags hat sich grundsätzlich für das Prinzip der Netzneutralität ausgesprochen, das eine Gleichbehandlung aller Daten im Internet postuliert.
Zugleich aber ließ das Gremium am Montag in Berlin die mögliche Einführung von unterschiedlichen Klassen beim Transport von Datenpaketen offen - dies wird vor allem von den Telekommunikationsunternehmen gewünscht.
Den jeweils 17 Abgeordneten und Sachverständigen lag ein Zwischenbericht der Projektgruppe Netzneutralität vor, der in großen Teilen eine Zustimmung der Mehrheit fand. Ein Patt von 17 zu 17 Stimmen ergab sich aber bei strittigen Handlungsempfehlungen etwa zur Netzneutralität als Regierungsziel - hier steht im Bundestag in der nächsten Woche eine Anhörung des Wirtschaftsausschusses zur Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) an. Zudem gaben die Abgeordneten und Sachverständigen aus den Reihen der Opposition mehrere Sondervoten zu Protokoll.
Alle seien sich einig, „dass Netzneutralität ein hohes Gut ist“, sagte der CDU-Abgeordnete Peter Tauber als Vorsitzender der Projektgruppe. Es gebe allerdings Meinungsunterschiede, wie diese künftig gewährleistet werden soll. Die Mehrheit der Projektgruppe sehe derzeit keine Gefährdung von Netzneutralität und plädiere für einen weiteren Netzausbau.
Der Begriff Netzneutralität bezeichnet die Gleichbehandlung aller Daten im Internet unabhängig von kommerziellen Interessen. Die Projektgruppe der Internet-Enquete stellt im Entwurf ihres Berichts fest, dass das Datenaufkommen im Internet immer stärker zunehme. Bestimmte Dienste aber seien von einer stabilen und sicheren Datenübertragung abhängig. Diese Anforderungen werden von den Netzbetreibern unter dem Schlagwort „Quality of Service“ angeführt, wenn sie statt der Gleichbehandlung aller Datenpakete unterschiedliche Transportklassen anbieten wollen.
Dies dürfe aber nicht dazu führen, dass die im Internet angeboten Inhalte nicht mehr für alle erreichbar seien: „Ein neutrales Netz auf Zugangs- und Vermittlungsebene ist die Grundvoraussetzung einer pluralistischen Dienste-Landschaft und damit einer inhaltlichen Netzneutralität“, heißt es in dem beschlossenen Teil des Zwischenberichts. Jeder interessierte Internetnutzer müsse auf die Inhalte zugreifen und sie nutzen können. Die Runde erteilte auch Forderungen aus den Reihen der Musik- und Filmbranche eine Absage, Verletzungen des Urheberrechts mit Netzsperren zu bestrafen.
Der von den Grünen als Sachverständiger benannte Blogger Markus Beckedahl sagte in der Aussprache über den Bericht: „Die Etablierung sogenannter Diensteklassen, zumal mit bevorzugtem Transport gegen Aufpreis, ist für uns kein zukunftsweisender Weg für die Architektur des freien und offenen Internets.“ Von der Bank der FDP entgegnete der Jurist Hubertus Gersdorf, „dass Netzneutralität sehr wohl eine Differenzierung von Diensten zulässt - das entscheidende ist, dass es sachlich gerechtfertigt ist.“
Vor der Sommerpause hatte die Internet-Enquete die Abstimmung über den Bericht zur Netzneutralität verschoben. Damals hatten Abgeordnete der Opposition den Koalitionsparteien vorgeworfen, mit „taktischen Spielchen“ eine Entscheidung für eine gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität verhindert zu haben.
Auch am Montag kam es zunächst wieder zu einer langwierigen Debatte über Verfahrensfragen. Nach knapp zwei Stunden beschloss das Gremium mit knapper Koalitionsmehrheit (17 zu 16), entgegen eines Anfang Juli gefassten Beschlusses doch keine Gutachten zu den beiden Themenbereichen Netzneutralität und Urheberrecht zu vergeben.
Die Enquete-Kommission Internet und Digitale Gesellschaft wurde im Mai 2010 vom Bundestag eingesetzt. Ihre Arbeit ist auf zwei Jahre angelegt. Bereits beschlossen wurden nunmehr Handlungsempfehlungen zur Medienkompetenz, zum Urheberrecht und jetzt zur Netzneutralität. Insgesamt gibt es acht Projektgruppen. Nächstes Thema, über das eigentlich ebenfalls am Montag abgestimmt werden sollte, am 12. Dezember der Datenschutz.