Passgenaue Angebote Rennen um die digitale Zukunft: Der Handel rüstet auf
Köln (dpa)- Der Kampf um den gläsernen Kunden gegen dem boomenden Onlinehandel geht in die nächste Runde: Nur wer den Verbraucher genau kennt, kann mit dem passgenauen Angebot punkten und so mehr Umsatz erzielen, beschwören Firmen.
Ganz gleich, ob es um ein Angebot für Spaghetti im preisgünstigen Doppelpack, Duschgel mit 30 Prozent Rabatt oder Einladungen zum exklusiven Shopping-Event geht.
Bei ihrem Angebot sollen die Läden dagegen künftig auf mehr Transparenz für Kunden setzen. So soll ein Aufkleber mit einem Strichcode für die Nachverfolgbarkeit von Produkten nach den Plänen des Kölner Unternehmens GS1 noch dieses Jahr auch auf Obst und Gemüse in den Auslagen vieler Läden zu finden sein. Das Unternehmen vermarktet bereits Strichcodes für das Kassieren und die Kennzeichnung von Fleisch und Fisch.
Vor allem die Sammlung und Nutzung von Kundendaten sei für viele stationäre Händler zum Thema geworden, sagt Regina Haas-Hamannt, Leiterin Innovation bei GS1. Der deutsche Ableger des US-Unternehmens will mit einem am Montag in Köln vorgestellten Trainings-Supermarkt stationären Händlern einen Blick in die Zukunft ermöglichen. Träger des Unternehmens sind unter anderem Handel und Industrie.
Während die Analyse des Einkaufsverhaltens für viele Online-Anbieter schon längst selbstverständlich ist, hat der stationäre Handel dort nach Einschätzung von Experten noch Nachholbedarf. Kunden des Unternehmens seien große Discounter ebenso wie Supermärkte und kleinere Händler, sagt Haas-Hamannt.
Mit Kameras zur Gesichtserkennung in einigen Läden der Supermarktkette Real hatte der Düsseldorfer Handelskonzern Metro zuletzt für Aufsehen gesorgt. Um zielgerichtete Werbung anbieten zu können, wird dabei der Blickkontakt der Kunden mit der Kamera aufgezeichnet. Datenschutzrechtliche Probleme sehe man nicht, betonte Metro-Chef Olaf Koch jüngst. Auch nach Einschätzung des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht ist der Vorstoß unbedenklich, wie das „Handelsblatt“ berichtete. Eine Identifizierung des Kunden dürfe es bei dem Kameraeinsatz aus rechtlichen Gründen ohnehin nicht geben, erklärt Haas-Hamannt.
In dem Trainings-Supermarkt von GS1 gibt der Kunde hingegen beim Betreten mithilfe seines Handys seine Daten preis und erhält im Gegenzug per App prompt ein individuelles Rabatt-Angebot. Wer bereits von zu Hause aus sein Abendessen geplant hat, erhält Vorschläge für Zutaten. Wenn etwas im Regal fehlt, bekommt es der Kunde automatisch nach Hause geliefert. Und beim Verlassen des Ladens wird die Rechnung für die Einkäufe schon vom Konto abgebucht. Für all das muss der Kunde zuvor allerdings sein Einverständnis erklärt haben.
Experten wie Kai Hudetz vom Kölner Institut für Handelsforschung sehen in dem Trend nicht nur eine Rückbesinnung auf das alte „Tante Emma-Prinzip“ im digitalen Zeitalter, sondern auch eine Waffe im Überlebenskampf vieler Läden. „Wir glauben, dass die genaue Kenntnis des Kunden ein Schlüssel ist. Dafür brauchen wir mehr Daten“, sagt der Forscher. Für viele kleine Boutiquen oder auch Tante-Emma-Läden sei es schon früher ein Erfolgsrezept gewesen, die Bedürfnisse der Kunden genau zu kennen. Sparrunden mit immer weniger Personal in den Läden hätten dies jedoch zunichte gemacht.
Der US-Angreifer Amazon, der in den stationären Handel drängt, zwinge die Branche zurück zu den Wurzeln, meint Hudetz. Auch große Handelsunternehmen hätten mittlerweile unter dem Druck des Online-Handels begonnen, das Thema mit Hochdruck zu verfolgen.
Mit der Kundenkarte ist seit langem ein Klassiker unter den Systemen zur Datensammlung im Einsatz. Laut einer Studie der Unternehmensberatung Nielsen sammeln fast drei Viertel der Deutschen Punkte. Treibende Kraft hinter dem Interesse der Verbraucher an Kundenbindungsprogrammen und Treueaktion seien oft finanzielle Vorteil wie etwa Rabatte, erläutert Nielsen-Chef Ingo Schier. Künftig könnten ganz neue Modelle dazukommen.