Weniger ist so viel mehr Spiele-Test: „Rime“ verzaubert mit Minimalismus
Berlin (dpa/tmn) - Den Begriff Minimalismus gibt es meistens in Kombination mit Mode, Design oder Architektur. Ab und zu gilt das Prinzip „Weniger ist mehr“ aber auch in der Welt der Videospiele - zum Beispiel bei dem neuen Hüpf- und Rätselspiel „Rime“.
Der spanische Entwickler Tequila Works hat fast alles über Bord geworfen, was sonst zu einem Spiel gehört. Ein Meisterwerk ist dabei nicht entstanden, aber doch ein schönes und vor allem ganz anderes Spiel.
Eine Story hat „Rime“ zum Beispiel fast nicht. Ein kleiner Junge erwacht auf einer geheimnisvollen Insel, trifft einen freundlichen Fuchs und erkundet geheimnisvolle Ruinen - mehr passiert zunächst nicht.
Das liegt unter anderem daran, dass das Spiel abseits der Menüs komplett auf Text und Dialoge verzichtet. Was es zu sagen hat, sagt das Spiel nur mit seinem melancholischen Orchester-Soundtrack und seinen Bildern. Und was für Bilder das sind. Die Kombination aus satten Farben, simplen Formen und lebensechten Animationen des etwas tapsigen jungen Helden gibt „Rime“ einen ganz eigenen Stil. Dass sich die Entwickler bei Klassikern wie „Ico“ oder „Journey“ einiges abgeschaut haben, ist aber trotzdem kaum zu übersehen.
Die beiden Vorbilder sind allerdings etwas besser darin, allein durch Bildgewalt und Inszenierung eine zwar interpretationsbedürftige, aber doch nachvollziehbare Geschichte zu erzählen. „Rime“ unternimmt zwar auch Versuche in diese Richtung, bleibt aber zu vage und unbestimmt, um den Spieler wirklich mitzureißen.
Anderswo hat es „Journey“ und ähnlichen Titeln aber etwas voraus: So ist es einerseits deutlich umfangreicher als viele eher kurze Vorbilder, und dabei auch noch abwechslungsreicher. Denn die waldige Insel, auf der das Spiel beginnt, ist erst der Anfang des Abenteuers. Mehr soll hier nicht verraten werden. Denn die Entdeckung neuer Spielwelten ist der vielleicht größte Reiz von „Rime“.
Der andere Reiz ist das eigentliche Spiel, das erstens aus eher simplen Hüpf- und Klettereinlagen und zweitens aus Rätseln besteht. Die fangen ebenfalls sehr einfach an, werden im Verlauf der Zeit aber zumindest etwas kniffliger. Erfahrene Spieler werden sich dennoch wohl nie richtig gefordert fühlen. Die Hauptrollen in den Puzzles spielen Licht und Schatten, Perspektivtricks und Schall - alles keine bahnbrechend neuen Ideen, aber clever und oft überraschend gemischt.
Allerdings zeigt „Rime“ dabei auch ein paar technische Schwächen. So ist sein namenloser Held nicht der allerschnellste. Von einem Ende der Spielwelt ans andere zu laufen, dauert selbst im Sprint eine Spur zu lange. Das ist in der Regel kein Problem, weil es unterwegs genug zu sehen gibt. Das gemächliche Lauftempo verhagelt allerdings etwas die Lust darauf, Geheimnisse abseits der Wege zu suchen. Schade, denn von denen gibt es jede Menge.
Auch die Steuerung beim Springen und Klettern hat kleine Schwächen. Zu oft hüpft die Spielfigur in die falsche Richtung, hält sich nicht an eigentlich erreichbaren Felskanten fest oder tut einfach gar nichts. Das ist vor allem dann, wenn es gelegentlich mal schnell gehen muss, sehr nervig. In Kombination mit den vielen kleinen Rucklern im Test auf einer regulären Playstation 4 und der nicht komplett mitreißenden Erzählung entsteht so der Eindruck eines Spiels, dass seine hochgesteckten Ziele nicht ganz erreichen kann - zu groß ist die Zahl der kleinen Schönheitsfehler.
Wer darüber großzügig hinwegsehen kann, wird allerdings reich belohnt mit einem Spiel, das im Gegensatz zu vielen vollgestopften modernen Blockbustern kein Epos für wochenlange Dauerzockerei sein will. „Rime“ ist ein Spiel, das einfach nur für ein paar Stunden schöne Bilder, traumhafte Musik und entspanntes Rätseln bietet.
„Rime“ ist ab sofort für den PC, die Xbox One und die Playstation 4 erhältlich, eine Version für Nintendo Switch soll folgen. Der Preis beginnt bei rund 30 Euro, die Altersfreigabe liegt bei sechs Jahren.