Echtes Leben statt Fantasie: Der Reiz von Simulationsspielen

Hamburg (dpa/tmn) — Die meisten Computerspieler bekämpfen Aliens, erschaffen Imperien und suchen Schätze. Manchen ist aber das wahre Leben schon aufregend genug. Statt fremde Welten zu erkunden, fliegen sie in Simulationsspielen von Hamburg nach München oder steuern Traktoren über Felder.

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„Das ist vergleichbar mit dem Reiz von Modelleisenbahnen“, sagt Ralf Hebecker, Professor für Gamedesign und —produktion an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Deswegen ist die Struktur der Spiele ganz anders als bei der Konkurrenz: Abgeschlossene Storys und klare Missionsziele, die in Adventures und Rollenspielen unverzichtbar sind, fehlen. „Simulationen sind sehr ergebnisoffen, weil man sich selber Ziele setzt“, erklärt Hebecker. Der Spieler entscheidet also, welche Strecke er mit seinem Laster zurücklegt oder welches Feld er mit seinem Traktor bestellt. Ähnlich viel Freiheit gibt es sonst nur in Spielen wie „Die Sims“ oder „Minecraft“.

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Viele populäre Simulationsspiele werden in Deutschland programmiert — hier lebt auch ein Großteil der Kundschaft. „Der Kernmarkt für Landwirtschaftssimulator und Co. ist ohne Zweifel der deutschsprachige Raum“, erklärt Thorsten Unger, Geschäftsführer des GAME Bundesverbandes. Simulationen spielen zwar auch in anderen Ländern eine Rolle, dann aber mit etwas anderem Fokus. In den USA sind etwa seit Jahren hochdetaillierte Jagdsimulationen erfolgreich. Hierzulande geht es in aller Regel friedlich zu. Panzer oder Kampfflugzeuge sind unter den simulierten Gerätschaften klar in der Minderheit. „Der Wunsch, ungestört zu sein, ist für viele Simulationsspieler ganz wesentlich“, erklärt Hebecker den Grund — Zeit- oder Handlungsdruck, etwa durch Gegner, ist vielen Simulationsfans eher ein Graus.

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Aber wer spielt so etwas eigentlich? „Interessanterweise sind das oft Leute, die auch im echten Leben zum Beispiel Landwirte oder Lastwagenfahrer sind“, sagt Hebecker. „Die können dann da Dinge nachspielen, die sie schon kennen - aber halt einfacher und sicherer.“ Und gerade solche Fachleute legen Wert darauf, dass es in den Simulationen möglichst realistisch zugeht, Traktoren also nicht plötzlich zu Rennwagen werden. „Wir haben ein sehr anspruchsvolles Publikum, von dem wir viel Feedback bekommen“, sagt Winfried Diekmann, Geschäftsführer bei Aerosoft. Die Firma ist einer der Hersteller von Simulationen, andere große Namen auf dem Markt sind zum Beispiel Astragon und Giants Software aus der Schweiz.

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Simulationsfans sind deutlich älter als andere Zocker, sagt Diekmann. Bei Bus- und Bahnsimulationen seiner Firma liegt das Durchschnittsalter bei 40, bei Flugsimulationen bei 50 Jahren. „Wir haben sogar einen aktiven Nutzer über 80“, erzählt er. Berührungspunkte zwischen den meist männlichen Simulationsfans und anderen Spielern gibt es nach Angaben von Branchenkenner Unger kaum.

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Mit Blick auf die Detailversessenheit mancher Titel ist das auch kein Wunder. Teilweise wird dort sogar die aufwendige Startprozedur von Flugzeugen simuliert. Bis der virtuelle Airbus in der Luft ist, vergeht dann gerne mal eine Viertelstunde. Selbst dieser Realismus hat aber natürlich Grenzen, so Ralf Hebecker: „Schließlich sitze ich am Ende ja noch immer vor dem Computer und nicht auf dem Traktor.“

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Und selbst die trockensten Simulationen haben in der Regel einen Schnellstart- oder Anfängermodus. Auch deshalb hält Spielexperte Hebecker die Simulationen durchaus für einsteigerfreundlich. „Die sind vielleicht ein bisschen spröde und sperrig, aber auch nicht komplizierter als andere Titel.“ Grafikpracht dürfen Nutzer in aller Regel aber nicht erwarten. Dafür sind die Spiele meist günstiger als andere Titel und laufen auch auf älteren Rechnern. Neue Simulationen gibt es für rund 40 Euro, ältere sind oft deutlich günstiger. Dazu kommen kostenpflichtige Erweiterungen, mit denen die Hersteller ihre Spiele zum Beispiel um neue Fahrzeuge oder Strecken ergänzen.

Ralf Hebecker rät Einsteigern davon ab, im Laden blind zuzugreifen. „Manche der Simulationen sind sehr einfach“, warnt er. „Aber es gibt eben auch sehr ausgereifte Qualitätsware.“ Um die Spreu vom Weizen zu trennen, lohnt sich ein Blick in die oft sehr aktiven Spieler-Foren: Hier zeigt sich schnell, welche Titel die Community bevorzugt. Hier finden Neulinge bei Problemen außerdem Hilfe - und manchmal von Fans gebastelte — und damit kostenlose Mods und Erweiterungen.