Fantasy für Erwachsene: „The Witcher 3: Wild Hunt“ im Test
Berlin (dpa/tmn) — Beim Stichwort „Fantasy“ denken die meisten an Familienunterhaltung im Stil von „Herr der Ringe“ und „Harry Potter“. Damit hat „The Witcher 3: Wild Hunt“ nur wenig zu tun.
Monster, Magie, Elfen und Zwerge gibt es hier zwar auch. Die Geschichte, die das Rollenspiel des polnischen Entwicklers CD Projekt erzählt, ist jedoch komplexer und düsterer als bei der Konkurrenz. In Kinderhände gehört der Titel deshalb auf keinen Fall — Erwachsene können mit „The Witcher“ aber lange Zeit in eine faszinierende Spielwelt abtauchen.
„Wild Hunt“ ist der dritte Teil einer Serie, die auf Romanen des polnischen Schriftstellers Andrzej Sapkowski basiert. Entsprechend lang und verworren ist die Vorgeschichte des Spiels. Die wichtigsten Charaktere und Ereignisse fasst „The Witcher 3“ in Dialogen und Zwischensequenzen gut zusammen. Wer mehr wissen will, findet in der Spielwelt Bücher mit weiteren Details.
Die Story des Spiels ist aber auch so gut zu verstehen: Monsterjäger Geralt von Riva ist auf der Suche nach seiner Ziehtochter Ciri. Sie wird von einer Gruppe mysteriöser Monster verfolgt — die „Wilde Jagd“ aus dem Titel des Spiels. Der Weg zu Ciri führt Geralt durch mehrere kriegsgeplagte Königreiche. Überall lauern Banditen und Ungeheuer.
Im Gegensatz zu den beiden Vorgängern gibt es diesmal nicht nur ein paar kleine Gebiete mit engen Grenzen, sondern eine riesige Welt voller Wälder, Berge, Inseln und Sümpfe. Die kann der Spieler zu Pferd und per Boot erkunden und dabei zahlreiche Aufträge annehmen, die gar nicht alle mit der Suche nach Ciri zu tun haben. Im Gegensatz zu vielen anderen Rollenspielen sind selbst diese Randgeschichten fast immer spannend. Sammelaufträge nach Schema F sind selten.
Bei der Jagd nach Monstern muss der Spieler zum Beispiel nicht einfach nur ein Ungeheuer besiegen, sondern zunächst Spuren lesen, Informationen sammeln und aus gefundenen Kräutern passende Tränke für den Kampf brauen. Das geht im dritten Teil leichter von der Hand als in den etwas unzugänglichen Vorgängern - „The Witcher 3“ bleibt trotzdem anspruchsvoll und nimmt den Spieler nur selten an der Hand.
Ohne Geduld und ein wenig Hirnschmalz werden Spieler mit „The Witcher 3“ daher kaum Spaß haben. Der Einsatz wird aber mit einer bis zum Schluss spannenden Geschichte, toller Inszenierung und prächtiger Grafik belohnt. Eine so große und schöne Fantasywelt gab es auf Xbox One und Playstation 4 bisher noch nicht. Auf dem PC - entsprechende Hardware vorausgesetzt - sieht das Spiel noch besser aus.
Ganz ohne Schönheitsfehler geht es natürlich nicht: Die Steuerung per Gamepad ist manchmal etwas schwerfällig und ungenau, vor allem in engen Räumen. Die Menüs für Geralts Ausrüstung und seine Fähigkeiten sind mit ihrer kleinen Schrift eher für PC-Monitore als für Konsole und Fernseher geeignet. Und die Testversion für die Playstation 4 hatte auch nach dem ersten Update noch ein paar Bugs, die den Spielspaß aber nicht nachträglich beeinträchtigen.
Die Brutalität der Spielwelt ist außerdem Geschmackssache: Von Rassismus über Frauenfeindlichkeit und sexuelle Gewalt bis zu Homophobie haben die Entwickler von CD Projekt kaum ein hässliches Thema ausgespart. Die Altersfreigabe liegt nicht umsonst bei 18 Jahren. Allerdings passt das ganze Elend auch gut zur Atmosphäre der Geschichte — aufgesetzt wirkt es nicht. Wer damit kein Problem hat, kann mit „The Witcher 3: Wild Hunt“ locker mehrere Wochen verbringen. Das Rollenspiel erscheint bei Bandai Namco komplett auf Deutsch und steht ab sofort für 50 bis 70 Euro in den Läden.