„Pokémon Go“: Irre Monsterjagd mit Suchtpotenzial

Berlin (dpa/tmn) - Ganz ehrlich: Die Bäckerei an der Ecke war schon immer verdächtig. Durch „Pokémon Go“ ist nun auch klar, warum. Der Familienbetrieb in Berlin-Kreuzberg ist nämlich in Wirklichkeit eine Pokémon-Arena.

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Hier kämpfen kleine digitale Monster mit Feuer, Blitz, Wasser und Krallen für den Ruhm ihrer Trainer. Wer allerdings keine „Pokémon Go“-App auf seinem Smartphone installiert hat, bekommt davon rein gar nichts mit.

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„Pokémon Go“ ist gerade der jüngste Digital-Hype. Seit dem Start am 6. Juli in den USA und einigen weiteren Ländern verbreitet sich das von Nintendo und dem Google-Spinoff Niantic Labs entwickelte Spiel explosionsartig. „Pokémon Go“ verbindet kleine niedliche Monster, Smartphones, GPS und Karten zu einer virtuellen Monsterjagd mit Duellen und Rollenspiel-Elementen. Nun ist die Android-Version in Deutschland verfügbar.

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Das Besondere an „Pokémon Go“: Genau wie beim ähnlich funktionierenden „Ingress“ muss man sich tatsächlich physisch bewegen, um Orte im Spiel zu erreichen. Die Spielwelt ist eine bunte Ausgabe tatsächlicher Orte. Berliner jagen Pokémon in Berlin, Frankfurter in Frankfurt, Düsseldorfer in Düsseldorf. Über die reale Welt wird eine virtuelle Welt gestülpt. Nur Spieler können sie sehen und mit ihr interagieren. Alle anderen sehen nur manisch auf das Smartphone starrende Passanten.

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Also raus auf die Straße, Pokéstops abklappern und Belohnungen wie Pokémon-Eier oder Pokébälle einsammeln. Pokéstops? Das sind zahlreiche Punkte in der Umgebung. In Berlin etwa eine Gedenktafel für die Mauertoten, eine Statue, der Reichstag oder das Brandenburger Tor. Um sie zu aktivieren, muss man sich möglichst nah an die Orte begeben, was in den USA auch schon für Zwischenfälle sorgte. Manch ein Pokéstop befand sich etwa in einer Polizeiwache. Zum Glück funktioniert das Aktivieren der Stops auch aus einiger Entfernung, ebenso das Einfangen der kleinen Monster.

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Wenn sie plötzlich auftauchen, schaltet das Spiel die Kamera ein. In das Bild der realen Welt wird dann das Pokémon eingeblendet. Das erste erscheint praktischerweise direkt auf der Tastatur des Redaktionsschreibtischs. Mit einigen gezielten Würfen eines Pokéballs wird es eingefangen. Das sieht teils ziemlich verrückt aus - irritierte Blicke und neugierige Fragen von Passanten sind garantiert. Bei allem Jagdeifer muss aber niemand auf Privatgrundstücke vorstoßen oder sich in Gefahr begeben, um ein seltenes Pokémon zu fangen - die Realität wird zeigen, dass es trotzdem passieren wird. US-Polizeibehörden warnen Monsterjäger schon vor Hausfriedensbruch, das Washingtoner Holocaustmuseum bittet Besucher um eine Pokémon-Auszeit in der Ausstellung.

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Die gefangenen Monster mit Namen wie Schiggy, Taubsi oder Zubat trägt man nach dem Einfangen nicht einfach nur mit sich herum. Das digitale Getier kann auch in Arenakämpfen aufeinander gehetzt werden. Dazu setzt man sie in den Arenen ab. Andere Spieler können dann ihre Pokémon mit den eigenen messen. Pokémon können so immer mehr Erfahrung sammeln. Auch der Trainer steigt auf immer höhere Erfahrungsstufen auf. Das Kampfsystem ist allerdings wenig intuitiv und artet in wildem Bildschirmantippen aus. Die spannenden rundenbasierten Kämpfe der alten Gameboyspiele sind Geschichte. „Pokémon Go“ ist kostenlos. Doch gegen echtes Geld gibt es frische Pokébälle, Köder, Rucksäcke und andere Boni, außerdem die virtuelle Währung Pokémünzen. Bis zu 99,99 echte Euro kann man mit einer Transaktion ausgeben. Es geht aber auch ohne digitale Einkäufe.

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Die kurzweilige Monsterjagd regt nicht nur zur Bewegung an. Sie hat auch ein paar handfeste Schattenseiten. Medienberichten zufolge sollen in den USA Räuber Spielern an Pokéstops aufgelauert haben. Tatsächlich wäre für einen Kriminellen die Chance höher, an solch einem Ort auf abgelenkte Menschen mit Smartphones zu stoßen. Pokéstops an abgelegenen Orten sollte man deswegen alleine im Dunkeln besser meiden. Und auch sonst sollten Spieler nicht starr auf ihr Smartphonedisplay starren. Sonst gerät man bei der Jagd auf Glumanda und Co. nachher noch auf befahrene Straßen. Sicherheitsforscher berichten auch von manipulierten „Pokémon Go“-Apps mit Schadsoftware, die im Netz kursieren. Android-Nutzer sollten das Programm nicht am Play Store vorbei installieren.

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Auch über den Datenschutz sollte man in aller Ruhe nachdenken. Unabhängig davon, ob man sich über sein Google-Konto oder ein Pokemon-Trainer-Club-Konto anmeldet: Durch die Nutzung des Spiels entstehen zahlreiche persönliche Daten. Wer ist wann, wie lange an welchem Ort? Welche Umwege sind Menschen bereit, für ein paar Pokébälle zu laufen? Theoretisch kann durch einige Tage Nutzung ermittelt werden, wo jemand arbeitet, lebt oder einkauft. Verknüpft mit Name und E-Mail ließen sich so umfangreiche Bewegungsprofile erstellen. Auch wer unter seinem echten Namen spielt und Bildschirmfotos über soziale Netzwerke verbreitet, offenbart seinen Standort. Die im Laufe des Spiels gesammelten Daten betrachtet Betreiber Niantic Labs als Unternehmenswerte. Im Falle eines Verkaufs gingen sie an den Käufer über.

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„Pokémon Go“ ist das erste Smartphonespiel mit den kleinen Taschenmonstern aus Japan. Und es gibt noch viel zu tun. Das Spielprinzip mit Erkundung, Einfangen, etwas augmentierter Realität und Belohnungen durch das Erreichen von Orten macht richtig Spaß und hat Suchtpotenzial. Weniger Spaß machen häufige Spielabstürze oder Spielen in Bereichen mit weniger Netzabdeckung - schon bei mittelmäßigen 3G-Verbindungen geht kaum noch etwas. Wer einen Tag lang „Pokémon Go“ spielt, sollte außerdem einen starken Reserveakku dabei haben. Der ständige Zugriff auf die Ortungsfunktion zehrt kräftig am Akku. „Pokémon Go“ ist allerdings ein Ausblick auf die Zukunft mobiler Spiele, auf die Vermischung von realer und digitaler Welt. Und wer kann schon ruhig bleiben, wenn vielleicht schon hinter dem nächsten Gebüsch das lang ersehnte Pikachu wartet?