Vom Grab ins Internet - Trauer mit Pixelmuster
Stuttgart (dpa) - Muss uns das Internet überallhin folgen? Doch wohl kaum bis auf den Friedhof. Andererseits kennt man aber auch die Situation, dass man an einem Grab steht und gerne mehr wüsste über den Toten, über sein Leben, seine Geschichte.
Man kennt sie von Bahn-Tickets oder aus der Werbung - doch langsam tauchen sie sogar auf Friedhöfen auf: QR-Codes, diese schwarz-weißen Pixelmuster für den schnellen Weg mit dem Smartphone ins Internet. Mal auf angeschraubten Messingplatten, mal eingraviert auf dem Grabstein oder auf einer Stele davor. Immer mehr Städte erlauben das in ihren Friedhofssatzungen. Wer den QR-Code mit einer App auf seinem Smartphone einliest, erhält aus dem Internet mehr Infos über den Toten als auf einen Grabstein passen. Möglich sind auch Weiterleitungen auf Kondolenzseiten.
Am Grabstein für die einstige DDR-Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley (1945-2010) auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin etwa ist eine solche QR-Code-Plakette (Quick-Response-Code) angebracht. Nutzer werden auf eine Internetseite gelotst, wo sie unter anderem Lebensdaten und eine Bildergalerie einsehen können. Auch am Grab der im April in Afghanistan erschossenen deutschen Kriegsfotografin Anja Niedringhaus in Höxter ist eine Stele mit dem Code aufgestellt. Er führt direkt auf die ursprünglich noch von ihr selbst angelegte Homepage, die im Auftrag der Familie weitergeführt wird.
Letztlich müsse jeder selbst entscheiden - oder die Angehörigen -, ob er sowas mache, sagt Volker Schirner, der Leiter des Garten-, Friedhofs- und Forstamts in Stuttgart. Man lege den Leuten da keine Steine in den Weg. Die Stadt prüfe derzeit, inwieweit Gräber von Prominenten mit QR-Codes versehen werden - „zur „modernen Wissensvermittlung“, so seine Formulierung. „Wir befürworten das.“
Der Stuttgarter Bestatter Marc Ramsaier, der die Codes als Dienstleistung anbietet, räumt ein, dass die Nachfrage noch nicht so groß ist. „Noch ist es Zukunftsmusik“, sagt er. Das „Grabmal 2.0“ werde sich wohl erst mit der Zeit durchsetzen. Es passe aber zum Trend, im Internet zu trauern, auf entsprechenden Trauer- und Gedenkseiten. Die Entwicklung schreite aber sehr langsam voran. Im Internet eine Kerze „anzuzünden“ oder an einem Grab zu stehen - das seien eben völlig unterschiedliche Dinge.
„Man muss auch bedenken“, erklärt Ramsaier, „die Hinterbliebenen kommen in einer extremen Stresssituation zu uns, in der sie in kurzer Zeit ganz viele Entscheidungen treffen müssen - zu Fragen, mit denen sie in der Regel bisher gar nicht konfrontiert waren.“ Und das in einer Lage, in der sie eigentlich gar nicht geschäftsfähig seien. Der QR-Code als zusätzliches Angebot habe da sicher keine Priorität. Nichtsdestotrotz habe er auch schon Todesanzeigen für seine Kunden geschaltet, bei denen ein QR-Code mit aufgedruckt war. „Über den konnte man sich auch zum Grab navigieren lassen.“
Machbar ist vieles. Auch wie sehr die Inhalte über die Jahre gepflegt werden, bleibt den Angehörigen überlassen. Denkbar ist sogar eine Verknüpfung zur Facebook-Seite der Toten. Aus Trauerseiten können Gedenkseiten werden. Nach Angaben des Deutschen Städtetages äußern immer mehr Städte den Wunsch, QR-Codes zuzulassen. Inzwischen gibt es eine Handlungsempfehlung für die Kommunen. Letztlich sei es aber eine reine Satzungsfrage, so ein Sprecher. „Das dürfen die Städte frei entscheiden, Vorgaben gibt es da nicht.“ Die Inhalte der Codes ließen sich gegebenenfalls einmal bei der Genehmigung prüfen, eine dauerhafte Kontrolle sei aber nicht drin.
Für Oliver Wirthmann, Geschäftsführer des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur, sind die QR-Codes ein Beispiel für die erheblichen Veränderungen im Umgang mit Trauer. Er sehe solche Neuerungen eher positiv, schließlich würden die Friedhöfe gestärkt. „Und die Trauer braucht einen konkreten Ort“, ist Wirthmann überzeugt. „Hier gehen neue Trends und gewachsene Formen der Trauer am Grab eine gute Verbindung ein.“